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KGV - Kennzahl zur Orientierung oder wertlos ? Beides !

vom 21.08.2022, 16:59 Uhr
JohnStuartMill
27854 Leser
 
In den letzten Monaten habe ich in eingen Foren bei verscheidenen Werten mitgelesen und immer wieder kamen solche Sätze hoch wie "das KGV ist doch ein Witz" oder auch "das KGV ist viel zu niedrig". Sehr häufig war dies unter anderem auch bei Biontech anzutreffen. Umgekehrt das Gleiche: da werden Aktien mit einem KGV von über 50 also oft zu teuer tituliert. In Wahrheit sind das aber oft die preiswertesten Aktien, sofern die Ertragsprognosen nicht verfehlt werden.
 
Ich dachte mir, ich schreibe einfach mal wieder einen Blog und gehe dazu mal zurück in eine Zeit, die vielen unbekannt sein dürfte. Da bewegten sich Aktienkurse von einem auf den anderen Tag selten um mehr als 1 Prozent und der Deutsche Aktienindex war noch gar nicht geboren. Da fragte man in der Regel den Anlageberater bei seiner Bank "Welche Aktie ist denn günstig - welche lohnt es sich zu kaufen". Soll ich BASF oder Bayer kaufen, oder VW oder BMW oder Siemens oder AEG (ja, die gab es auch einmal) oder Thyssen oder Klöckner ?  .. usw.
 
Da gab es dann so Antworten wie: "kaufen Sie lieber Bayer als BASF, die haben zur Zeit nur ein KGV von 7" oder noch besser: "kaufen Sie Klöckner, die haben gerade nur ein KGV von 6.
 
Warum ist diese Kennzahl schon seit Jahrzehnten  fast immer in der ersten Reihe dabei, wenn es um die Einstufung einer Aktie als preiswert oder kaufenswert gilt ? Nun, meiner Meinung nach: weil Anleger es gerne einfach haben: "man nehme KGV ist niedrig, also kaufen".
(Und übrigens: Anlageberater brauchten es auch schon immer so einfach wie möglich: - die hatten meist genauso wenig Ahnung wie diejenigen die vor ihnen saßen, es durfte nur nicht auffallen - hat sich zu heute also nicht viel geändert  - lach)
 
(Im Vorherigen wie im Folgenden vereinfache ich natürlich etwas, der Anschaulichkeit geschuldet und weil es noch genauer eh keinem mehr hilft )
 
Ich mache mal einen Aussprung in die Frage was das KGV eigentlich besagt und wieso es dabei auch noch so wichtig ist, was die Marktzinsen gerade machen.
 
Aktien stehen mit Ihrer Versinsung ja in Konkurrenz zu Anleihen oder risikolosen Festverzinslichen Wertpapieren. Die haben auch ein KGV ! Eine Anleihe mit theoretisch unendlicher Laufzeit (30 Jahre ist ja an der Börse ohnehin schon fast unendlich) und einem Festzins von 7 % hat bei einem Kurs von 100 % nämlich ein KGV von 14,3. Bei einem Zins von 5 % hat eine Anleihe quasi ein KGV von 20.
 
Daraus lässt sich bei einem angenommen langfristen Marktzins von beispielsweise 7 oder 5 oder 3 Prozent ein angenmessenes KGV für eine Aktie von 14,3  oder 20 bei 5 % bis hin zu einem KGV von 33,3 bei nur 3 % Marktzins ableiten (Daher auch die Nervösität, wenn am Markt von mehreren Zinserhöhungen die Rede ist ! ).
Und so galten Aktien insbesondere auch in der Konkurrenz untereinander (bei einem unterstellten Marktzins von 7 %  für langrfristige Anleihen) lange Zeit mit einem KGV von unter 14 schon einmal als recht preiswert. Die Sachen hatte nur einen Haken: Die Gewinne schwanken und umso mehr die Gewinne in der Vergangenheit schwankten desto eher gab es einen Risikoabschlag, so dass Aktien zyklischer Unternehmen, wie Chemie- oder Autowerte, oft nur ein KGV von deutlich unter 10 zugestanden wurde. Aktien von Spezialwerten mit Wachstumsfantasie hatten oft schon deutlich höhere KGV's. Außerdem basierten die Angaben ja auf unseren Schätzungen von Gewinnen.
 
Was steckt in der Theorie dahinter ? Das KGV unterstellt quasi die Berechnung einer unendlichen Rente und gleichbleibender Gewinne/Ausschüttungen bei gleichzeitigem relativ stabilem langfristigem Markzins und bringt dies in Form einer statistischen Kennzahl zu Vergleichszwecken vereinfacht auf den Punkt - nämlich als Verhältnis von Kurs zu aktuellem Jahresgewinn.
 
Und da ist direkt also der Hund begraben. Unsere schnellebige Zeit lässt nicht nur das Wetter innerhalb von Minuten von Sonnenschein auf Orkan umschalten, sonder auch die Gewinne der Unternehmen schwanken stark und zwar stärker als früher (Und Nein: Früher war nicht alles besser *fg*).
 
Der Unternehmenswert und damit auch der Ertragswert einer Aktie ist  nichts anderes als die Abzinsung aller zukünftigen Gewinne auf den heutigen Stichtag. Und da muss also so einiges "geschätzt" werden - lach.
 
Dabei gilt: Je höher der angenommene Marktzins, desto geringer der Aktienwert und je höher die durchschnittle Wachstumsrate des Gewinns desto höher der Unternehmenswert oder eben der theoretsísch korrekte Aktienkurs - aber eben auch umgekehrt. 
 
Was bedeutet dies praktisch: Der Gewinn für das aktuelle Geschäftsjahr ist eine einzige Komponente in einer uendlichen Zahl aufzuaddierender Jahresgewinne der Zukunft. Und damit ganz schlicht: 
 
Der Gewinn des aktuellen Geschäftsjahres ist in der Betrachtung langfristiger Investoren praktisch das uninteressanteste was es überhaupt gibt ! 
 
Wozu kann das KGV dienen ? Bei stabilenen Erträgen auch in den nächsten Jahren ist das KGV eine recht gute Orientierung wenn es um den Vergleich von Unternehmen der gleichen Branche geht. Da genau endet aber auch schon der Nutzen. Nehmen wir also mal als Beispiel Amazon und dait den Grund, warum  warum so viele den Zug bei Amazon verpasst haben. Da hörte und las man fast 10 Jahre lang immer und immer wieder "Die Aktie ist zu teuer, sie hat ein KGV von über 100" . Bei Tesla übrigens fast das gleiche. Und, wo war der Fehler ? Nun, wenn man mit seinem KGV maximal 1-2 Jahre in die Zukunft geschaut hatte, dann mag das ja gestimmt haben. Wer aber schon damals das statische KGW um einen dynamischen Faktor erweitert hat, nämlich die durchschnittliche Wachstumsrate über einen langen, langen Zeitraum, der hat solche Aktien ins Depot gelegt und sie 10 Jahre nicht angefasst,
 
 
Wer Gewinn und Gewinnwachstum in seiner Bedeutung einmal einschätzen möchte für den zitiere ich einmal aus einen älteren Untersuchung  einer Bank die zur Orientierung einmal ein angemessenes KGV unter Einbeziehung des durchschnittlichen Gewinnwachstums berechnet hat (Betrachtet wurden zur Vereinfachung 20 Jahre des Gewinns und dessen Entwicklung und verschiedene Marktzinsen):
 
Zins 5 % + Gewinnwachstum 0 % = KGV 12,5
Zins 5 % + Gewinnwachstum 10 % = KGV 33,8
Zins 5 % + Gewinnwachstum  15 % = KGV 59,4
 
So, jetzt wissen wir immer noch nicht wie man Verluste an der Börse ausschließen kann, aber es wird einfach mal deutlich, warum enttäuschende Gewinnprognosen unsere Aktien manchmal von einem auf den anderen Tag um 20 oder 30 % einbrechen lassen. Weil der Markt sich dann nämlich um ein neues angemessenes KGV einpendelt.
 
In diesem Sinne pendeln wir also auch weiter auf der Suche danach die Aktien zu finden, die uns nicht enttäuschen.
 
Uns allen dabei viel Glük und Erfolg !
 
 
JSM
 
 
Werte zum Blogbeitrag
Name Aktuell Diff. Börse
Amazon 192,30 EUR +0,11 % Baader Bank
Biontech 97,43 EUR +0,57 % Lang & Schwarz
Bmw 67,64 EUR -1,67 % Lang & Schwarz
Daimler Truck Holding 35,68 EUR -1,42 % L&S Exchange
Dax 19.007,73 PKT -0,44 % ARIVA Indikation Indizes
Enphase Energy 59,95 EUR -0,25 % Baader Bank
Moderna 35,11 EUR +0,46 % Lang & Schwarz
Nel Asa 0,26015 EUR -4,48 % Lang & Schwarz
Plug Power 1,80 EUR -0,55 % L&S Exchange
Siemens 176,15 EUR -0,88 % Lang & Schwarz
Siemens Energy 45,22 EUR -1,07 % Quotrix Düsseldorf
Tesla 322,93 EUR -0,06 % Baader Bank
Thyssenkrupp 3,841 EUR -1,88 % Baader Bank
Us Tech 100 20.581,21 PKT -0,37 % TTMzero RT (USD)
Volkswagen (vw) Vz 81,26 EUR -1,14 % Baader Bank
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