BERLIN/PEKING (dpa-AFX) - Volkswagen
Brandstätter kündigte an, bald das mit dem Partner SAIC betriebene Werk in Ürümqi zu besuchen. Es liegt im Westen des Landes in der Provinz Xinjiang, wo Menschenrechtlern zufolge die muslimische Bevölkerungsgruppe der Uiguren systematisch unterdrückt wird. "Wir dulden keine Zwangsarbeit, auch nicht bei Zulieferern oder Personalvermittlern", versicherte der Manager. Er hatte im Sommer die Position des China-Konzernchefs von VW übernommen.
Chinesische Autobauer haben in ihrer Heimat auch mit relativ preiswerten Modellen große Fortschritte erzielt. Zudem greifen sie mit Exporten in Europa an. Insgesamt lag der VW-Konzern 2022 beim globalen Absatz reiner E-Autos auf Rang 4 - hinter Tesla
"Wir wollen bei der Elektromobilität in China eine führende Rolle einnehmen, werden aber auch unsere Position bei modernen Verbrennerfahrzeugen weiter stärken", bekräftigte Brandstätter. Konkrete Prognosen zu den angestrebten Marktanteilen seien wegen der schwankungsanfälligen Lage gerade nicht seriös möglich. "Aber wir beobachten auch einen starken chinesischen Wettbewerb." Zu etwaigen Preissenkungen wie bei Tesla äußerte sich der Manager nicht näher.
"Wir werden unsere E-Offensive in China weiter vorantreiben", sagte Brandstätter. Mitte des Jahres komme zum Beispiel die Limousine ID.7 auf den Markt. Auf dem chinesischen Gesamtmarkt könnten E- und Hybridautos nach 25 Prozent im vergangenen Jahr 2023 einen Anteil von über 30 Prozent erreichen. Die Ladeinfrastruktur werde ausgebaut. Zugleich gelte: "Das Verbrenner-Geschäft bleibt wichtig. Es ist die Grundlage, die weitere Transformation hin zur E-Mobilität zu finanzieren."
Fürs laufende Quartal erwartet Brandstätter in China noch ein schwieriges Geschäft. "Weitere Corona-Fälle nach der Reisewelle zum chinesischen Neujahr dürften entsprechende Auswirkungen haben." Im zweiten und dritten Quartal dürfte es eine Erholung geben. "Denn schon die ersten Öffnungen nach der strikten Null-Covid-Politik haben eine große wirtschaftliche Dynamik ausgelöst. Die Konsumfreude kehrt zurück. Auch die Produktion in unseren Werken und die Lieferketten laufen derzeit wieder weitgehend stabil." Mit den lokalen Partnern habe man ein Kostenprogramm bei E-Autos aufgesetzt. "Ich bin sicher, dass wir in China Potenziale heben können", erklärte Brandstätter.
In seinen ersten Monaten im Land habe er erkannt, dass die Kunden dort besondere Ansprüche hätten. VW hatte bei der Ausstattung mancher Autos diesen Geschmack nicht immer ganz getroffen. "Sehr viele chinesische Kunden sind jung und äußerst technologieaffin", sagte Brandstätter. "Vielen geht es vor allem um modernes Design und die fortschrittlichste Technologie. Sie wollen Verkaufsgespräche digital führen oder dort, wo sie in der Stadt ohnehin zum Einkaufen gehen - nicht in einem Autohaus irgendwo am Stadtrand."
Verbesserungen seien möglich und nötig: "Wir wollen viel stärker von der hohen Innovationsgeschwindigkeit in China profitieren, aber gleichzeitig unsere traditionellen Stärken und Werte nicht vernachlässigen." Dabei komme auch der Entwicklung des autonomen Fahrens eine Hauptrolle zu. Vernetzung werde zu einem entscheidenden Kaufkriterium. Die Zahl der Softwareexperten in der Konzernsparte Cariad solle in diesem Jahr in China auf 1200 verdoppelt werden. VW will auch mit der Firma Horizon Robotics zusammenarbeiten.
Daneben muss Brandstätter heikle politische Themen verfolgen. Er werde voraussichtlich im Februar das Werk in Ürümqi besuchen. "Bisher war dies aufgrund der Corona-Restriktionen nicht möglich." Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen soll es in der Region Umerziehungslager geben. Zudem litten manche Uiguren unter Zwangsarbeit. VW hatte bereits erklärt, man habe keine Hinweise auf unzulässige Abläufe in der eigenen Produktion oder bei Lieferanten. "Wir machen unter anderem regelmäßige Stichprobenkontrollen vor Ort", ergänzte Brandstätter. Es gebe umfangreiche Prüfungen.
Ein weiteres potenzielles Pulverfass für Deutschlands größtes Unternehmen sind die Spannungen zwischen der Volksrepublik und Taiwan. Sollte es zu Sanktionen oder einem militärischen Konflikt kommen, wären die Konsequenzen "für uns alle in jeglicher Hinsicht schwerwiegend", sagte Brandstätter. "Die Beteiligten sollten sich des Risikos einer solchen Auseinandersetzung bewusst sein." Nach seinem Eindruck seien jedoch alle Parteien derzeit um Deeskalation bemüht.
Die Außen- und die Wirtschaftspolitik würden herausfordernder. "China und seine Beziehungen zur Welt verändern sich. Die europäische und deutsche China-Strategie muss sich anpassen", sagte Brandstätter. Eine Entkoppelung enger Kontakte könne aber keine Lösung sein. "Wir müssen gerade jetzt im Austausch bleiben. Dabei dürfen wir aber auch nicht blauäugig sein. Abhängigkeiten muss man bewerten und reduzieren - in unternehmerisch verantwortlicher Weise."/jap/DP/jha