FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Forderung der IG Metall für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie ist in diesem Jahr simpel wie selten. Doch sie trifft auf schwierige wirtschaftliche Verhältnisse bei vielen Arbeitgebern, mit dem kriselnden Riesenkonzern VW an der Spitze. Die Angst um die Arbeitsplätze geht insbesondere im Automobilsektor um, in dem die Gewerkschaft eigentlich ihre stärksten Streiktruppen hat.

170 Euro für Azubis und 7 Prozent mehr Geld für alle anderen: Auf diese Formel hat sich die Gewerkschaft nach monatelangen Abstimmungen, Konferenzen und Beratungen geeinigt. Die dritthöchste Forderung seit 30 Jahren wurde vor allem mit den Kaufkraftverlusten begründet, welche die Mitglieder in den zurückliegenden Hochinflationsjahren erlitten haben. Doch spätestens seit dem Beben in Wolfsburg ist überdeutlich, dass es auch und womöglich zuallererst um sichere Arbeitsplätze im Hochlohnland Deutschland geht.

Arbeitgeber verweisen auf maue Konjunktur

Die Metallarbeitgeber verweisen darauf, dass ihre Produktion im Schnitt immer noch 14 Prozent unter Vorkrisenniveau liegt. Die Produktivität der Werke hat in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen und auch die Neuaufträge kommen nur schleppend. "Unverträglich hoch" sei daher in dieser Lage die Forderung nach 7 Prozent mehr Geld, sagt NRW-Metall-Präsident Arndt Kirchhoff. Andere Arbeitgebervertreter haben Nullrunden verlangt.

Kirchhoff sagte in einem Interview dem "Tagesspiegel": "Die Kurzarbeitszahlen steigen und die Arbeitslosenzahlen auch, die Gewinne der Firmen schrumpfen, viele machen Verluste, die Nachfrage nach Investitionsgütern ist schwach, unsere Kapazitäten sind bei weitem nicht ausgelastet." Seit 2015 gebe es im Schnitt kein Produktivitätswachstum mehr. Die Produktivität sei aber der Maßstab für Tariferhöhungen. Kirchhoff betonte: "Wir haben massiv investiert, etwa in die Elektromobilität, aber die Nachfrage ist nicht da."

In der Gewerkschaft haben viele gemutmaßt, dass VW-Chef Oliver Blume nicht zufällig unmittelbar vor der Tarifrunde die Tabus beim größten deutschen Autokonzern bricht. Werkschließungen und der drohende Verlust der vor 30 Jahren eingeführten Jobgarantie, das kann die mächtigste Gewerkschaft Deutschlands nicht einfach ignorieren.

Gewerkschaft pocht auf steigende Reallöhne

Die neue Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, verlangt, dass Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen bei VW schnell wieder in der Versenkung verschwinden. "Das sind für uns absolut rote Linien." Stattdessen bringt Benner die alte Idee der Vier-Tage-Woche ins Gespräch, die einer ihrer Vorgänger, Jürgen Peters, zusammen mit dem VW-Manager Peter Hartz in einer früheren VW-Krise im Jahr 1993 gefunden hat. Die Arbeitskräfte mussten gegen geringeres Gehalt nur noch 80 Prozent der vereinbarten Arbeitszeit leisten. Aus dieser Zeit stammt auch die Jobgarantie, die Blume nun infrage gestellt hat.

Benner betont, die Unternehmen verdienten gutes Geld, teilweise mit Top-Renditen. "Es sind weder die Beschäftigten noch ihre Entgelte, die bei einzelnen Unternehmen für eine schwierige Lage verantwortlich sind." Ökonomen seien sich einig: Die Konjunktur brauche jetzt steigende Kaufkraft. "Und die Beschäftigten brauchen nach dem Wegfall von Einmalzahlungen gegen die Inflation und das hohe Preisniveau jetzt dringend steigende Reallöhne", bekräftigt die Gewerkschafterin.

Bei Volkswagen werden die Arbeitsbedingungen und Entgelte in einem Haustarifvertrag geregelt, der die Arbeitnehmer in der Vergangenheit immer ein Stückchen besser gestellt hat als die Kollegen in der Fläche. Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger will die eigentlich erst für Oktober geplanten VW-Tarifverhandlungen vorziehen und parallel zum Flächentarif in Niedersachsen verhandeln.

Auftakt der Tarifrunde am 11. September

Den Auftakt der zunächst regionalen Verhandlungen machen Bayern, Berlin-Brandenburg-Sachsen und Baden-Württemberg parallel an diesem Mittwoch (11. September). Am Montag der nächsten Woche (16. September) macht der Tarifbezirk Küste das Schlusslicht für die erste Verhandlungsrunde, von der keine konkreten Ergebnisse erwartet werden. In mehreren Runden tasten die Tarifpartner dann ab, wo eine Lösung gefunden werden kann.

Ab dem 29. Oktober sind dann auch mit Ablauf der Friedenspflicht Warnstreiks möglich und wahrscheinlich. Ist der Pilotbezirk schließlich ausgeguckt, schalten sich zum Endspurt die Bundesvorstände von IG Metall und Gesamtmetall zu. Bei der IG Metall ist dafür erstmals Nadine Boguslawski zuständig, neben Benner die zweite Frau im Gewerkschaftsvorstand. Der Pilotabschluss wird dann mit kleinen Abweichungen von den übrigen Bezirken unternommen./ceb/hgo/DP/men