HOCKENHEIM/WOLFSBURG (dpa-AFX) - Volkswagen-Konzernchef Oliver Blume hat dem mit vielen Problemen konfrontierten Autoriesen einen Großumbau verordnet. Damit will der seit zehn Monaten amtierende Manager das Tempo anziehen und wieder attraktiver werden für die Anleger am Aktienmarkt. Vor allem will das Management mehr auf die Ausgaben achten und endlich Größenvorteile besser für sich nutzen, um profitabler zu werden. Beim umstrittenen Werk in der chinesischen Provinz Xinjiang plant Blume nun außerdem eine unabhängige Prüfung der Menschenrechtssituation.
Blume präsentierte am Mittwoch in Hockenheim neue Finanzziele für die kommenden Jahre und wie er seinen Zehn-Punkte-Plan zügig in die Tat umsetzen will. Dabei soll den Marken des Konzerns und deren Management mehr Verantwortung zukommen, die Zentrale in Wolfsburg soll künftig nur noch den Rahmen vorgeben. Gleichzeitig sollen die Marken enger zusammenarbeiten, um die Werke gemeinsam besser auszulasten, wie es anlässlich einer Investorenveranstaltung an der Rennstrecke Hockenheimring hieß. Um das zu erreichen, sollen auch entsprechende Komponenten in die Vergütung des Managements aufgenommen werden.
Details zu den angedachten Sparmaßnahmen sollen noch ausgearbeitet werden, doch Finanzchef Arno Antlitz kündigte an, dass auch dazugehören werde, dass frei werdende Stellen nicht nachbesetzt werden. Blume verwies allerdings vor allem auf Einsparungen an anderer Stelle. Die Modellvielfalt soll sinken, und im Vertrieb soll der Umbau des Händlergeschäfts fruchten, indem sich die Händler nicht mehr gegenseitig mit Rabatten unterbieten.
Der Konzern will in den kommenden Jahren insbesondere den Aufwand für Sachinvestitionen sowie für Forschung und Entwicklung spürbar senken. Die Investitionsquote soll bis 2027 auf unter 11 Prozent des Umsatzes sinken. Für dieses Jahr haben die Wolfsburger noch einen Anteil von 14,5 Prozent der Erlöse für Investitionsausgaben eingeplant. Die hohe Investitionsquote des Konzerns ist seit langem ein großer Kritikpunkt von Investoren. Bis 2030 soll sie gar auf rund 9 Prozent fallen. Im Verkauf an sich peilt VW Wachstum an, der Umsatz soll bis 2027 um jährlich 5 bis 7 Prozent steigen.
Die Anleger am Aktienmarkt blieben skeptisch, ob VW seine Ankündigungen in die Tat umsetzen kann. Die im Dax notierte Vorzugsaktie von VW schloss knapp 0,9 Prozent tiefer bei 125,02 Euro. Am Aktienmarkt tut sich das VW-Papier seit geraumer Zeit schwer, der Kurs notierte im Herbst 2021 noch über 200 Euro, im Frühjahr 2021 sogar kurz über 250 Euro.
Blume will die Zweifel der Investoren ausräumen und wieder mehr auf sie zugehen. Denn auch der Megabörsengang der ebenfalls von ihm geführten Sportwagentochter Porsche konnte den Wert von Volkswagen am Markt nicht heben. Im Gegenteil wird nach und nach deutlich, welchen Teil der Gruppe die Investoren für besonders werthaltig halten: Die Renditeperle Porsche AG kommt an der Börse derzeit auf einen Marktwert von 102 Milliarden Euro, Volkswagen als Ganzes - inklusive des 75-prozentigen Anteils an Porsche - lediglich auf knapp 72 Milliarden.
Zwar will Blume auch bei der Premiumtochter Audi auf mittlere Frist mit 13 Prozent mehr Umsatzrendite sehen als bisher eingeplant. Besonders in der Kernmarke VW Pkw und den restlichen Massenmarken des Konzerns aber sieht es mau aus mit der Profitabilität. VW-Markenchef Thomas Schäfer hatte jüngst schon angekündigt, das Ergebnis bis 2026 zusammengenommen um rund zehn Milliarden Euro verbessern zu wollen. Damit will die Marke mit dem blauen VW-Logo die Umsatzrendite auf 6,5 Prozent hochtreiben - sprich von 100 Euro Umsatz sollen 6,50 Euro Betriebsgewinn übrig bleiben und nicht nur 3 Euro wie zuletzt im ersten Quartal.
Auch nach mehreren großen Sparrunden und Umgruppierungen in vergangenen Jahren tut sich das Herzstück des Konzerns nämlich schwer, eine auskömmliche Marge zu erzielen, um die nötigen Ausgaben für den Schwenk zu Elektroantrieben und für Software stemmen zu können. Bis Oktober sollen die Maßnahmen stehen, die Nutzung der Werke durch mehrere Marken ist ein großes Element davon, Material- und Fixkosten spielen ebenfalls eine große Rolle.
Mit den Aussichten für geringeren Investitionsbedarf und den Sparanstrengungen im Konzern schätzt Finanzchef Arno Antlitz auch die Chancen für das operative Ergebnis besser ein. Peilte VW in der mittleren Frist zuletzt 8 bis 9 Prozent Umsatzrendite im Konzern ein, sollen es 2027 jetzt 8 bis 10 Prozent und Ende des Jahrzehnts 9 bis 11 Prozent werden.
Wie zuletzt auf der hitzigen Hauptversammlung des Konzerns im Mai deutlich wurde, ist nicht nur den Nichtregierungs- und Protestorganisationen die Situation rund um Menschenrechte in den Lieferketten ein Anliegen, sondern mehr und mehr auch den an Nachhaltigkeitskriterien orientierten Profiinvestoren. Blume kündigte nun an, das umstrittene Werk in der chinesischen Provinz Xinjiang einer unabhängigen Prüfung auf die Menschenrechtslage unterziehen zu wollen.
Er begründete das auch damit, dass VW derzeit beim Finanzdienstleister MSCI nicht die Bedingungen für das Nachhaltigkeitssiegel "ESG" erfüllt. "ESG" (Environment, Social, Governance) umschreibt Faktoren wie Umweltverträglichkeit, soziale Bedingungen und Unternehmensführung. Auf diese Faktoren ausgerichtete Finanzprodukte wie ESG-Fonds enthalten daher oft keine VW-Aktien.
"Wir planen ein transparentes, unabhängiges externes Audit, um der Öffentlichkeit volle Transparenz zu geben", sagte Blume am Mittwoch in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Es gebe Beschwerden rund um die Menschenrechtssituation dort und es sei die Aufgabe von Volkswagen, diese Bedenken auszuräumen. Derzeit befinde man sich in guten Gesprächen mit den Partnern in China, was eine solche Prüfung angehe, sagte Blume.
Das Werk in der Stadt Urumchi wird vom chinesischen Joint-Venture-Partner SAIC betrieben. Menschenrechtler kritisieren VW seit langem dafür, an dem Werk in der Region festzuhalten. Die muslimische Minderheit der Uiguren wird laut ihnen von der Zentralregierung in Peking gezielt unterdrückt, VW soll demnach unter anderem zu wenig gegen Zwangsarbeit in der Lieferkette tun. VW hält dagegen, wenig Einfluss auf das operative Geschäft im Werk mit rund 240 Beschäftigten zu haben und dass es dort keine Anzeichen für Menschenrechtsverletzungen gebe. Der Konzern stehe weltweit gegen Zwangsarbeit ein, sagte Rechtsvorstand Manfred Döss auf der Hauptversammlung im Mai./men/jsl/nas