Hakle und Görtz sind erst der Anfang: Nach den Insolvenzen des Toilettenpapierherstellers und des Schuhhändlers rechnen Fachleute mit weiteren Pleiten im Konsumsektor, wie das Handelsblatt berichtet.

 „Wir werden mit Sicherheit noch zahlreiche Insolvenzen sehen“, sagte etwa der Handelsexperte und frühere Ebay-Deutschlandchef Stefan Wenzel.

Konsumgüterhersteller trifft die Insolvenzgefahr als erstes, weil sie sich direkt in den Einnahmen widerspiegelt: So sinkt die Inflation die Kaufkraft der Verbraucher. Gleichzeitig steigen die Transport- und Energiekosten für Unternehmen stark. Ab Oktober erhöht die Anhebung des Mindestlohnes auf zwölf Euro den Kostendruck zusätzlich.

Die Krise der Einzelhändler könnte weitere Insolvenzen in anderen Branchen nach sich ziehen. Firmen in der Industrie und anderen Sektoren bemerken das Konsumtief erst mit Verzögerung, weil sie noch die Aufträge der vergangenen Monate abarbeiten. Außerdem zögern mehr Unternehmen die Bezahlung ihrer Rechnungen hinaus, wie die Wirtschaftsauskunftei Creditreform berichtet. Infolgedessen steigen die Unsicherheiten und Risiken für Insolvenzen.

Fraglich ist auch, ob sich das Konsumtief auf großen Online-Einzelhändlern wie Zalando und Amazon niederschlägt. Das Zalando-Wertpapier notiert am Dienstagnachmittag bei 23,87 Euro. Damit liegt die Aktie knapp 75 Prozent unter ihrem Vorjahreshoch. Anleger verkaufen den Titel gegenwärtig gnadenlos: Betrug das Handelsvolumen gestern noch mehr als 1,4 Millionen gehandelte Aktien, sind es am Dienstag nur noch etwas über 366.000 Stück.

Inflation tritt ohnehin fällige Marktbereingung in Gang

Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) schätzt, dass die Zahl der Insolvenzen im Oktober um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahresmonat ansteigt. Zu erwarten sei besonders ein Anstieg der Insolvenzen im stationären Einzelhandel, sagt IWH-Experte Steffen Müller. Eine konkrete Zahl für die kommenden Monate mag er nicht schätzen, bisher melden etwa 40 bis 50 Personen- und Kapitalgesellschaften aus dem Bereich monatlich Insolvenz an. Er fügt hinzu: „Die steigenden Insolvenzzahlen zeigen, dass viele Unternehmen mit dauerhaften Kostensteigerungen rechnen, die ihr Geschäftsmodell unrentabel werden lassen.” Das als drohende Pleitewelle zu bezeichnen, sei trotz steigender Zahlen derzeit zu viel gesagt.

Die Begründung: Während der Corona-Krise haben nur wenige Unternehmen Insolvenz anmelden müssen. Das lag aber vor allem daran, dass die Bundesregierung die Insolvenzantragspflicht bis Ende April 2021 ausgesetzt hatte. Die Aufhebung galt für diejenigen Unternehmen, deren wirtschaftliche Schwierigkeiten pandemiebedingt waren. Außerdem flossen staatliche Hilfen, mit denen die Händler aufgrund des Ukraine-Krieges nicht mehr rechnen können – der Betrieb ihrer Geschäfte ist zu energieintensiv. „Die neuerliche Krise kann Insolvenzen beschleunigen, die ohnehin passiert wären“, sagt Wirtschaftsforscher Müller.

Gefährdet sind laut Branchenkennern vor allem Hersteller und Händler, die mittelpreisige Produkte anbieten. Menschen kaufen auch in Krisenzeiten Luxusprodukte, weil die Zielgruppe zahlungskräftig bleibt. Umgekehrt bleibt auch die Nachfrage nach günstigen Produkten stabil. Konsumenten sparen dann eher bei den mittelpreisigen Marken.

Autorin: Sarah Stemper, wallstreet:online Zentralredaktion

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