Erneuerbare-Energie-Aktien gelten als hoch bewertet und volatil. Mit der Energiewende haben sich jedoch riesige Wachstumschancen für die Branche eröffnet und bieten somit auch interessante Potenziale für Anleger.
Deutschland steckt in einer Energiekrise. Der Angriff Russlands auf die Ukraine und damit einhergehende Lieferverknappungen hatten die Preise für Strom und Gas im vergangenen Jahr in die Höhe getrieben. Mehr denn je ist Energieunabhängigkeit gefragt. Ein Mittel dazu sind erneuerbare Energien. "Ich bin zuversichtlich, dass die derzeitige Energiekrise ein Wendepunkt hin zu mehr erneuerbaren Energien und sauberer Energie sein wird", sagte Fatih Birol, Chef der Internationalen Energieagentur (EA), im Winter bei einer Veranstaltung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) im Auswärtigen Amt in Berlin. "Die Welt wird in den nächsten fünf Jahren so viel Strom aus erneuerbaren Energien zubauen wie in den 20 Jahren zuvor."
Hinzu kommt: Klimaziele weltweit treiben den Ausbau der Erneuerbaren voran. Zwölf der zwanzig G20-Mitglieder wollen bis 2050 klimaneutral werden. Die Europäische Union (EU) plant ab 2045 unterm Strich emissionsfrei zu sein. Teil des Maßnahmenplans ist es, bis spätestens zum Jahr 2030 rund 42,5 Prozent des europäischen Energieverbrauchs aus Erneuerbaren zu beziehen. Aktuell beträgt der Anteil der klimafreundlichen Technologien nur einen Bruchteil der Gesamtversorgung: Im Jahr 2019 produzierten Solaranlagen und Co. etwa elf Prozent des weltweiten Energieverbrauchs, berichtet die EA. Innerhalb der EU waren es 2021 immerhin schon 22 Prozent.
Der Markt für Erneuerbare hat also noch viel Luft nach oben. Das haben längst auch Anleger erkannt und wiederholt auf Aktien aus dem Bereich gewettet. Dementsprechend hoch bewertet sind viele der Titel. Zudem hängt ihre Wertentwicklung stark von politischen Entscheidungen ab. Sie können von staatlichen Subventionen profitieren, genauso wie strengere Regulierung ihre Kurse einbrechen lässt. Erneuerbare-Energie-Aktien gelten deshalb auch als höchst volatil. Das bestätigt auch ein Blick auf den Renixx, ein Index für Ökoenergieaktien. In den Jahren 2007 und 2008 kam es zu einer starken Preisrallye, deren Höchststände erst wieder 2020/21 erreicht wurden. Seit dem letzten Allzeithoch Anfang 2021 hat der Index aber wieder mehr als ein Viertel an Wert verloren. Anleger, die in Aktien von erneuerbaren Energien investieren wollen, müssen deshalb genau aufpassen, auf welches Unternehmen sie setzen, und sich auf Kursschwankungen einstellen.
Enphase: Kursrakete mit Luft nach oben
Innerhalb der Solarbranche zählt Enphase Energy zu den Marktführern. Das US-Unternehmen mit Sitz in Fremont, Kalifornien, hat sich auf Mikro-Wechselrichter spezialisiert, eine Technologie, um den Strom von Solarmodulen umzuwandeln. Mittlerweile baut es auch Batteriespeicher, eigene Solarmodule und hat eine App zum Energiemanagement entwickelt. Mit diesem Geschäftsmodell hat Enphase Energy im vergangenen Jahr 2,3 Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftet – mehr als zwei Drittel Plus im Vergleich zum Vorjahr. Rund 76 Prozent des Nettoumsatzes kamen aus den USA. Auch der Gewinn des Unternehmens entwickelte sich positiv: Im Vergleich zum Vorjahr konnte Enphase Energy das Nettoergebnis von 145 Millionen US-Dollar auf 397 Millionen US-Dollar mehr als verdoppeln. Die Bruttomarge lag derweil bei 41,8 Prozent. Im laufenden Jahr will das Unternehmen seine Produktionskapazitäten in den USA ausweiten, um von staatlichen Subventionen zu profitieren. Für das erste Quartal 2023 prognostiziert das Management einen Umsatz zwischen 700 und 740 Millionen US-Dollar, also deutlich mehr als im Vorjahresquartal (441 Millionen US-Dollar).
Mit 27 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung ist Enphase Energy im Branchenvergleich aber auch relativ hoch bewertet. Aktuell notiert die Aktie bei 205,27 US-Dollar, das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt damit bei 61. Dabei ist der Kurs bereits gefallen: Seit Jahresbeginn hat der Titel in zweitstelliger Höhe nachgegeben und notiert auch im Vergleich zu April 2022 nur knapp über dem Vorjahresniveau. Langfristig legte Enphase Energy aber eine enorme Kursrallye hin: In den vergangenen zehn Jahren verbuchte der Titel ein Plus in vierstelliger Höhe. Analysten blicken mehrheitlich positiv auf die Aktie. Die US-Investmentbank Goldman Sachs bekräftigte kürzlich ihre Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 295 US-Dollar, der US-Finanzdienstleister Citigroup hob sein Kursziel von 205 auf 285 US-Dollar an.
Viel Wind um Vestas
Unter den Windenergie-Anbietern zählt das dänische Unternehmen Vestas Wind Systems zu den etablierten Marktteilnehmern. Das 1945 gegründete Unternehmen stellte zunächst Haushaltsgeräte und Hydraulikkräne her. Erst 1979 verkaufte es die erste Windkraftanlage. Heute ist das Unternehmen der weltweit führende Hersteller von Windkrafträdern, in 88 Ländern stehen seine Anlagen. Nach eigenen Angaben soll das Unternehmen mit Blick auf die installierte Kapazität 22,1 Prozent der weltweiten Windkraft produzieren. Das Geschäftsmodell teilt sich in die Produktion und den Verkauf von Windturbinen (78,2 Prozent) sowie Servicedienstleistungen wie Wartungen und Garantieleistungen auf.
Dennoch lief das vergangene Geschäftsjahr schlecht für Vestas. Niedrige Bruttomargen und Wertminderungen bei einem Turbinentyp hatten dem Unternehmen zufolge die Geschäftsentwicklung belastet. Trotz eines Umsatzes von 14,49 Milliarden Euro verbuchte es einen negativen EBIT von 1,15 Milliarden Euro. "Vestas und die Windindustrie standen auch im Jahr 2022 vor großen Herausforderungen, da externer Gegenwind und die Unreife der Branche die Rentabilität beeinträchtigten und zu unbefriedigenden Finanzergebnissen für das Gesamtjahr führten", erklärte Vestas-Präsident Henrik Andersen das Ergebnis. Auch im kommenden Jahr rechnet Vestas mit Gegenwind und sieht eher langfristig Chancen, um von der Energiewende zu profitieren. Besonders in den USA hofft das Management ab 2024 vom Inflation Reduction Act (IRA) zu profitieren, der zahlreiche Subventionen für grüne Energien vorsieht.
Aktionäre hatten die schlechten Zahlen bereits eingepreist. Seit Jahresbeginn hat die Aktie deshalb nur minimal an Wert verloren und notierte am 3. April 2023 bei 203,31 dänischen Kronen (27,29 Euro). Seit dem Börsengang im Jahr 1998 hat der Titel im niedrigen dreistelligen Bereich zugelegt.
Analysten sind sich uneinig, wie es mit Vestas weitergeht. Das US-Analysehaus Jefferies bestätigte kürzlich die Einstufung als Buy mit einem Kursziel von 254 dänischen Kronen. Hohe Auftragsbestände und staatliche Maßnahmen in der EU und den USA dürften dem Jefferies-Analyst Simon Toennessen zufolge das Unternehmen stärken.
Die deutsche Privatbank Berenberg belässt ihr Kursziel derweil bei 225 dänischen Kronen und stuft die Aktie damit weiterhin als Hold ein. Die europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act in den USA sei zwar positiv, es brauche nun aber konkrete Initiativen, begründete Analyst Henry Tarr seine Einschätzung.
Die britische Investmentbank HSBC senkte das Kursziel auf 165 dänischen Kronen und stuft den Titel als Reduce ein. Analyst Sean McLoughlin erwartet, dass sich das Unternehmen erst ab 2025 nachhaltig erholen werde und hält die aktuellen Markterwartungen für zu optimistisch.
Es wird heiß bei Ormat
Bei erneuerbaren Energien geht es meistens um Solarenergie und Windkraft. Erdwärme, die über sogenannte Geothermie-Verfahren gewonnen wird, macht derzeit nur ein Prozent der weltweiten grünen Stromerzeugung aus. Dabei ist die Energiegewinnung nahezu unabhängig von äußeren Einflüssen, schließlich kommt die Energie aus dem Erdinnern – und da ist es immer heiß. Geothermiekraftwerke sind aber aufwändig und teuer, außerdem sind die Bohrungen umstritten, weshalb Solar- und Windkraft-Anlagen bislang schneller ausgebaut wurden. Trotzdem ist Geothermie Teil vieler Klimaschutzpakete.
Ein Unternehmen, das davon profitieren könnte, ist Ormat Technologies. Der US-Hersteller entwickelt, baut, verkauft und betreibt geothermische Kraftwerke. Mit Erfolg: Im Jahr 2022 konnte es seinen Umsatz um einen niedrigen zweistelligen Bereich auf 734,1 Millionen US-Dollar steigern. Das Nettoergebnis kletterte derweil von 62,1 Millionen US-Dollar auf 65,8 Millionen US-Dollar. Auch für das kommende Jahr zeigt sich Geschäftsführer Doron Blachar optimistisch und prognostiziert erneut einen Umsatzanstieg im zweistelligen Bereich.
In den vergangenen zehn Jahren hat die Ormat-Aktie ein ordentliches Kursplus im dreistelligen Bereich eingefahren. Im Vergleich zum Jahresanfang notierte die Aktie am 31. März 2023 leicht abgeschlagen bei 84,77 US-Dollar. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 47,8 ist der Titel dennoch relativ hoch bewertet. Die Schweizer Großbank UBS empfiehlt die Aktie trotzdem zum Kauf mit einem Kursziel von 103 US-Dollar. Die US-Investmentbank Oppenheimer stuft sie ebenfalls als Kauf mit einem Ziel bei 96 US-Dollar ein. Die US-Investmentbank Roth MKM bewertet sie neutral bei einem Kursziel von 93 US-Dollar.
Kursgaloppaden auch beim Clean-Energy-ETF
Wer nicht alles auf eine Karte setzen will, kann auch in einen Erneuerbare-Energie-ETF investieren. Der größte unter ihnen ist der iShares Global Clean Energy UCITS ETF mit einem Volumen von rund fünf Milliarden Euro. Er investiert in die 30 größten Unternehmen im Bereich der Erneuerbaren. Bisher lief es damit aber nicht so gut: Seit seiner Auflegung während der Kursrallye im Jahr 2007 hat der ETF fast die Hälfte an Wert verloren. Auch im Jahresvergleich steht er noch im mittleren einstelligen Bereich im Minus. Aktuell notiert der ETF bei 10,86 US-Dollar. Erneuerbare Energie bleiben eben volatil.
(sesch) für die wallstreet:online Zentralredaktion