Wenn wir in Aktien eines Unternehmens investieren, sollten wir uns fragen, ob und inwiefern es das Unternehmen schafft, mit seinen Produkten die Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen als die Konkurrenz. Schließlich wollen wir in großartige Unternehmen investieren. Und es gibt wohl keine bessere Sicht darauf, wie großartig ein Unternehmen wirklich ist, als die Sicht des Kunden.

Ein zentraler Baustein, der es Unternehmen ermöglicht, wieder und wieder erfolgreiche Produkte auf den Markt zu bringen und einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu halten, ist eine fruchtbare Innovationskultur. Daher schauen viele Investoren (und auch wir von der Aktienwelt360) gerne darauf, wie innovativ unsere Unternehmen agieren.

Unternehmen wissen das natürlich und kleben sich gerne selbst das Etikett „innovativ“ auf. Wirklich innovativ zu sein ist jedoch alles andere als einfach. Viele Ideen, die auf dem Papier sehr fortschrittlich und bahnbrechend klingen, scheitern in der realen Welt an der Umsetzbarkeit oder den Kosten.

Spätestens das ist der Moment, an dem ein wirklich innovatives Unternehmen die Reißleine zieht und sich nach anderen Möglichkeiten umschaut. Andere, ich nenne sie mal „scheininnovative“ Unternehmen, begehen dann jedoch einen beliebten Anlegerfehler und werfen einer schlechten Investition weiteres Geld hinterher.

Ein gutes Beispiel ist die Beteiligung deutscher Autohersteller und -zulieferer am Kartendienst Here im Jahr 2015. Die Idee hinter dem 2,6 Mrd. Euro schweren Investment klang sinnvoll und innovativ: Kurzfristig vor allem als Alternative zum übermächtigen Google Maps gedacht, sollte Here langfristig eine millimetergenaue dreidimensionale Vermessung des Straßennetzes vornehmen und die Autohersteller mit diesen Karten versorgen, um autonomes Fahren zu ermöglichen.

Doch die Realität ist 2023 eine andere: Der Fortschritt beim autonomen Fahren stockt, die Umsätze im Kerngeschäft sinken und das Unternehmen fuhr in den letzten sieben Jahren 1,7 Mrd. Euro Verlust ein. Selbst die Mitanteilseigner BMW und Mercedes setzen mittlerweile Alternativen zu Here-Karten ein.

Dennoch schossen die Autobauer, zu denen auch Audi gehört, kürzlich 354 Mio. Euro nach. Der legendäre Investor Peter Lynch würde wohl sagen: Anstatt Blumen zu gießen und Unkraut zu jäten, gießen sie das Unkraut. Ein bekannter Investmentfehler, der auch unter der Formulierung „schlechtem Geld gutes hinterherwerfen“ bekannt ist.

Auch in den nächsten Jahren wird Here vermutlich ein Minusgeschäft bleiben und es ist absehbar, dass das Erstellen hochauflösender 3D-Karten des gesamten Straßennetzes Milliardeninvestitionen erfordern wird. Und das ohne klare Aussicht auf Erfolg. Denn Tesla zeigt, dass das autonome Fahren auch ohne Lidar-Sensoren und millimetergenaue 3D-Karten Realität werden könnte. Die Amerikaner nutzen clever die verkaufte Flotte an Fahrzeugen, um Trainingsdaten für ihre KI zu sammeln, und kommen so um die hohen Kosten herum.

Wenn du mich fragst, war die Investition der deutschen Automobilwirtschaft in Here eine auf dem Papier sehr gut klingende innovative Idee, die aber aktuell an der Umsetzbarkeit, den Kosten und auch fehlendem Tempo scheitert.

Unternehmen, die wieder und wieder solche Geschichten fabrizieren, sollten wir als Anleger meiden. Stattdessen sollten wir uns nach Unternehmen umsehen, die regelmäßig wirklich umsetzbare Innovationen entwickeln und diese konsequent zur Realität machen.

Denn das werden die Unternehmen sein, bei denen am Ende tatsächlich ein besseres Produkt und eine höhere Kundenzufriedenheit steht. Der Lohn sind in der Regel ein stärkeres Umsatzwachstum und höhere Gewinne – und damit langfristig auch ein steigender Aktienkurs.


Der Artikel Ein Leitfaden zum Investieren in innovative Unternehmen ist zuerst erschienen auf Aktienwelt360.

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Aktienwelt360 2023

Autor: Christoph Gössel, Investmentanalyst


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