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Konkubinats-Boom birgt Vorsorgerisiken – vor allem für Mütter

29.11.2023 / 09:30 CET/CEST


Zürich, 29. November 2023

Die neue Swiss Life-Studie beleuchtet Vorsorgerisiken, die sich aufgrund von Teilzeitarbeit, Scheidung und Konkubinat ergeben. Sie zeigt: Erwerbsbiografien und Familienmodelle in der Schweiz sind im Umbruch – was insbesondere für Frauen Chancen, aber auch neue Herausforderungen für die Altersvorsorge mit sich bringt.

  • Der Anteil an Konkubinatsfamilien stieg im letzten Jahrzehnt steil an: Jedes fünfte Paar mit Kindern unter fünf Jahren ist inzwischen unverheiratet, 2010 war es erst gut jedes zehnte.
  • Mütter in Konkubinatspaaren arbeiten mit einem Durchschnittspensum von 58% zwar mehr als verheiratete Mütter (45%), aber deutlich weniger als Väter mit rund 90%.
  • Unverheiratete Mütter setzen sich dadurch häufig erheblichen Vorsorgerisiken für den Fall einer Trennung oder des Todes des Partners aus, beschäftigen sich aber kaum damit.
  • Bezüglich Erwerbstätigkeit zeigen sich nach wie vor ausgeprägte Rollenbilder: Väter arbeiten hierzulande in einem um rund 40 Prozentpunkte höheren Pensum als Mütter. Wenn Väter und Mütter jedoch frei wählen könnten, würde sich dieser Unterschied mehr als halbieren.
  • Nur 39% der Bevölkerung setzen sich vertieft damit auseinander, wie sich das eigene Erwerbspensum auf die Altersvorsorge auswirkt. Frauen, die sich damit befassen, weisen im Durchschnitt einen um 6 Prozentpunkte höheren Beschäftigungsgrad auf.
  • Verheiratete Paare unterschätzen die Scheidungswahrscheinlichkeit. Lediglich jeder vierte Mann und jede fünfte Frau beschäftigt sich intensiv mit allfälligen Folgen für die Altersvorsorge.

Heutige Rentnerinnen erhalten rund 30% weniger Rente als Männer. «Diese Zahl stellt allerdings ein Echo aus der Vergangenheit dar, da sie auf vergangenen Erwerbsbiografien und Lebensentwürfen beruht. In der vorliegenden Studie werfen wir einen Blick in die Zukunft und schauen, was die heutige Bevölkerung im Erwerbsalter dereinst von der Vorsorge zu erwarten hat», sagt Studienleiter Andreas Christen.

«Pensumslücke» wird kleiner, verschwindet aber nicht
Zentral für den Gender Pension Gap sind die unterschiedlich hohen Lebenserwerbseinkommen von Frauen und Männern, was primär eine Folge der Pensumsreduktion von Müttern ist. Zwar sank die durchschnittliche Geschlechterdifferenz beim Erwerbspensum zwischen 1996 und 2022 von etwa 40 auf 24 Prozentpunkte. Und sie dürfte sich weiter verkleinern, verschwinden wird sie jedoch auf absehbare Zeit nicht. So zeigt die im Rahmen der Swiss Life-Studie durchgeführte Umfrage, dass kinderlose junge Frauen, die einen Kinderwunsch äussern, häufiger eine Reduktion des eigenen Erwerbspensums erwarten als ihre männlichen Pendants. «Ein solcher Entscheid ist oft nachhaltig: Hat man das Pensum einmal reduziert, arbeitet man bis zur Pensionierung häufig nicht mehr Vollzeit», sagt Studienleiter Christen. Tiefere Erwerbseinkommen führen besonders in der beruflichen Vorsorge zu tieferen Renten, schränken aber auch Sparmöglichkeiten in der dritten Säule ein. Gemäss Swiss Life-Umfrage zahlen Frauen – vor allem einkommensbedingt – seltener in die Säule 3a ein als Männer (56% vs. 65%). Und sie investieren, auch unabhängig vom Einkommen, seltener in Anlagen wie Aktien, Obligationen oder Fonds (22% vs. 38%).

Rollenbilder prägen die Erwerbsbeteiligung nach wie vor
Die Swiss Life-Studie beleuchtet auch verschiedene Gründe für die Geschlechterunterschiede bei der Arbeitsmarktbeteiligung. Einerseits zeigen sich klare Rollenbilder: Die Befragten finden durchschnittlich, dass für Mütter von kleinen Kindern ein Pensum von 50% ideal sei, bei Vätern eines von 80%. Andererseits sind die Geschlechterdifferenzen beim Erwerbspensum gemäss den Idealvorstellungen der Bevölkerung geringer als die tatsächlich beobachteten. Wenn sie frei wählen könnten, würden Väter in einem tieferen Durchschnittspensum arbeiten (74%), als sie es effektiv tun (93%), Mütter hingegen leicht mehr (58% statt effektiv 54%). Dies deutet darauf hin, dass nicht nur Präferenzen oder Rollenbilder für die Beteiligung am Arbeitsmarkt verantwortlich sind, sondern auch Sachzwänge. So zeigt die Umfrage, dass etwa ein Drittel der nicht oder Teilzeit erwerbstätigen Mütter zu wenige oder zu teure Krippenplätze bzw. ausserschulische Betreuungsmöglichkeiten als Grund aufführt, weshalb nicht oder nur Teilzeit gearbeitet wird.

Was bedeutet das Pensum für die Altersvorsorge?
«Solange bei Arbeitsmarktbeteiligung und Erwerbseinkommen grössere Geschlechterdifferenzen bestehen, werden wir um Jahre verzögert auch bei den Renten im Alter Unterschiede beobachten», hält Co-Autorin Nadia Myohl fest. Allerdings hat sich nur eine Minderheit der befragten Frauen (37%) und Männer (41%) gemäss eigenen Angaben vertieft damit auseinandergesetzt, welche Folgen das Erwerbspensum für ihre Altersvorsorge hat. Diejenigen Frauen, die dies tun, arbeiten in durchschnittlich etwa 6 Prozentpunkte höheren Pensen als diejenigen, die dies nicht tun. Es ist allerdings nicht klar, ob effektiv die Auseinandersetzung mit dem Thema zu höheren Pensen führt oder ob dies andere Gründe hat.

Scheidungsrisiko wird unterschätzt und die finanziellen Folgen verdrängt
Wesentlich für den Gender Pension Gap ist auch die Haushaltssituation. So ist die Rentendifferenz zwischen den Geschlechtern unter heutigen verheirateten Pensionierten am grössten – hat dort aber in der Regel geringere unmittelbare finanzielle Auswirkungen als in anderen Konstellationen. Dies dürfte auch für die Zukunft gelten, da mit 66% eine Mehrheit der befragten verheirateten Paare unter 64 ihre Einkommen weitgehend zusammenlegt. Dabei ist zu bedenken, dass jede Ehe durch Scheidung oder Tod enden wird. Die Befragten unterschätzen jedoch das Risiko, dass die eigene Ehe geschieden werden könnte: Sie bewerten es durchschnittlich ähnlich hoch wie das eigene Verwitwungsrisiko vor der Pensionierung. Tatsächlich werden im Erwerbsalter aber etwa 4,5-mal so viele Frauen geschieden, als dass sie verwitwen. Es beschäftigen sich ausserdem nur 26% der verheirateten Männer und 19% der Frauen eingehend damit, wie sich eine Scheidung auf ihre Altersvorsorge auswirken würde, obwohl eine Scheidung oft für beide Ex-Eheleute negative finanzielle Folgen hätte. Frauen sind im Mittel stärker betroffen: Bei den heutigen geschiedenen Pensionierten beträgt der Gender Pension Gap etwa 15%.

Teilzeittätige Mütter in Konkubinatsfamilien mit besonders ausgeprägten Vorsorgerisiken
Immer mehr Elternpaare bleiben zumindest anfänglich unverheiratet. 2022 waren etwa 20% der Paare mit Kindern unter fünf Jahren unverheiratet – 2010 waren es erst etwas über 10%. Unverheiratete Mütter mit Partner und Kindern unter 15 Jahren arbeiten durchschnittlich in einem 58%-Pensum und sind damit etwas stärker auf dem Arbeitsmarkt präsent als verheiratete (45%) – aber klar schwächer als Väter (rund 90%). Die starke Zunahme dieser Konstellationen führt zu neuen vorsorgetechnischen Herausforderungen, da teilzeitarbeitende Mütter in Konkubinatshaushalten im Trennungs- oder im Todesfall des Partners schlechter abgesichert sind als verheiratete. Theoretisch lassen sich solche Lücken im Rahmen der privaten Vorsorge und vertraglicher Vereinbarungen verkleinern. Ob dies allerdings hinreichend geschieht, ist zumindest fraglich. «Gemäss unserer Umfrage setzen sich auch Konkubinatseltern nur selten vertieft mit den für sie relevanten Vorsorgefragen auseinander», so Studienleiter Christen.

Laden Sie hier die vollständige Studie «Verliebt, verlobt, versorgt? – Wie sich Erwerbsbiografien und Haushaltsformen auf den Gender Pension Gap auswirken» als PDF herunter.

Sämtliche Dokumente und weitere Informationen finden Sie hier.

Zur Methodik
Die Studie basiert unter anderem auf einer im Februar und im März 2023 durch das Marktforschungsinstitut ValueQuest im Auftrag von Swiss Life schweizweit durchgeführten, für die sprachassimilierte Bevölkerung repräsentativen Umfrage. An der online durchgeführten Befragung nahmen 4029 25- bis 64-jährige Personen teil. Die auf diesen Umfragedaten basierenden, in der Studie verwendeten Berechnungen wurden von den Autorinnen und Autoren von Swiss Life durchgeführt. Die Fragebögen wurden weitgehend von Swiss Life entwickelt und durch ValueQuest ergänzt. Die Autorinnen und Autoren der Studie verwendeten für ihre Analysen zudem verschiedene Datengrundlagen des Bundesamts für Statistik, z. B. Einzeldatensätze der BFS-Erhebung SAKE (Schweizerische Arbeitskräfteerhebung).


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