FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Straffung der Geldpolitik durch die Notenbanken weltweit setzt die Aktienmärkte derzeit massiv unter Druck. Hierzulande rutschte der Dax vor dem Wochenende auf den tiefsten Stand seit November 2020. Die Anleger verunsichert vor allem, mit welcher Vehemenz die Währungshüter gegen die anhaltend hohe Teuerung vorgehen. Damit hatten viele bis vor kurzem noch nicht gerechnet.

Die US-Notenbank Fed etwa hob in der abgelaufenen Woche zum dritten Mal in Folge ihren Leitzins um 0,75 Prozentpunkte an. Ihr Chef Jerome Powell machte zugleich deutlich, dass damit das Ende der Erhöhungen noch längst nicht erreicht ist. Viele andere Notenbanken wie etwa in der Schweiz, Schweden, Norwegen und Großbritannien strafften im Kampf gegen die Inflation zuletzt die Geldpolitik. Zinserhöhungen wirken allerdings nur indirekt und mit Zeitverzug.

Für die Aktienmärkte sind die steigenden Zinsen ein doppeltes Problem. Da sind einerseits die Sorgen um eine Rezession der Weltwirtschaft. Denn schießen die Zinserhöhungen über das Ziel, kann dies verheerende Nachwirkungen haben: Investitionen werden gebremst, der Arbeitsmarkt und Unternehmensgewinne könnten womöglich leiden. Die Fed nimmt dieses Risiko ausdrücklich in Kauf, um die Inflation zu bremsen.

Andererseits steigt durch die anziehenden Zinsen die Attraktivität festverzinslicher Wertpapiere - entsprechend ging der Anstieg der Renditen an den Anleihemärkten auf mehrjährige Höchststände zuletzt klar zulasten von Aktien. Und viele Fachleute befürchten, dass die Talfahrt an den Börsen weitergeht. Denn die Zinsängste hielten sich zunächst hartnäckig, stellt der Kapitalmarktstratege Robert Halver von der Baader Bank fest. "Da sich mittlerweile rund 85 Prozent der weltweiten Notenbanken im geldpolitischen Straffungsmodus befinden, wird eine nachhaltige Erholung der Aktienmärkte behindert."

Im Dax ging es mit dem jüngsten Kursrückschlag vor dem Wochenende erstmals seit Wochen auch wieder unter die psychologisch wichtige Marke von 12 500 Punkten - diese hatte bei Abwärtsschüben im März und Juli noch als Unterstützung gedient. Danach ging es wieder aufwärts.

Die Charttechniker des Börsenstatistikmagazins "Index-Radar" befürchten im Falle eines Unterschreitens das nächste Kursziel 1000 Punkte tiefer. Erst dort dürften sich wieder Käufer finden. Umgekehrt weisen sie darauf hin, dass - sollte sich die Trendwende wie schon im März und Juli wiederholen - die folgenden Zwischenhochs immer dürftiger ausfallen - ein weiteres Zeichen der Schwäche, befinden die Autoren.

Für Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank steht fest, dass die Aktienmärkte erst dann wieder Impulse nach oben bekommen werden, "sobald das Ende der Zinstreppe absehbar ist". Kurzfristig geschehe das jedoch nicht. Derzeit preisen die Märkte erst ab 2024 wieder eine kleinere Zinssenkung in den USA ein.

Mögliche Aussagen von Notenbankern werden deshalb wohl auch in der kommenden Woche am Aktienmarkt auf die Waagschale gelegt. In den Blick rückt vor allem die Europäische Zentralbank (EZB). Denn der starke Zinsschritt in den USA zeige auch den Währungshütern im Euroraum, "wo es langgeht", so Kater. Die EZB hatte Anfang September den Leitzins ebenfalls um 0,75 Prozentpunkte angehoben, es war der deutlichste Zinsschritt in der Geschichte der Euro-Währungshüter. Mit 1,25 Punkten in diesem Jahr sind die Zinsen im Euroraum aber weitaus weniger hoch als in den USA. Die EZB hatte mit Erhöhungen lange gezögert.

Allerdings bestehe auch bei den europäischen Währungshütern Einigkeit darin, weitere Erhöhungen vorzunehmen, denn eine Entspannung bei der Inflation ist aus Sicht von Helaba nicht in Sicht. Vorläufige Daten zu den Verbraucherpreisen aus Deutschland am Donnerstag und der Eurozone am Freitag dürften dies belegen. Angesichts der Gaskrise und einer wohl kaum noch abwendbaren Rezession in Deutschland rechnet Helaba zudem mit einer weiteren Verschlechterung des Ifo-Geschäftsklimaindex (Montag) und des GfK-Verbrauchervertrauens (Mittwoch). Auf politischer Seite dürfte der Markt derweil den zuletzt durch die Teilmobilmachung und Scheinreferenden weiter befeuerten Konflikt mit Russland im Blick behalten.

Auf Unternehmensseite legen am Dienstag KWS Saat und der Biokraftstoffhersteller Verbio ihre Jahreszahlen vor. Am Donnerstag veröffentlicht der Baumarktkonzern Hornbach seinen Halbjahresbericht. Zudem lädt der Immobilienkonzern Vonovia am Dienstag zu einer Kapitalmarktveranstaltung ein./tav/bek/he

- Von Tanja Vedder, dpa-AFX -

Quelle: dpa-AFX