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BERLIN (dpa-AFX) - Das Bürgergeld der Ampel-Koalition ist vorerst gestoppt. In einer Sondersitzung des Bundesrats erhielt der Gesetzentwurf für die Sozialreform am Montag nicht die erforderliche Mehrheit. Damit kann das zum 1. Januar geplante Vorhaben zunächst nicht in Kraft treten. Wie zuvor angekündigt, verweigerten mehrere Landesregierungen unter Führung beziehungsweise mit Beteiligung der Union dem Vorhaben ihre Zustimmung.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warb in der Sondersitzung nochmals vehement für das zentrale Reformprojekt der Ampel-Koalition. Kritik der Opposition etwa an der zulässigen Vermögenshöhe und der erlaubten Wohnungsgröße für Leistungsbezieher wies er zurück. Hier werde mit Zerrbildern von Riesen-Villen oder großen Vermögen gearbeitet. "Das ist nicht die Realität. Die meisten Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, die haben keine dicken Rücklagen mehr."

Es gebe genügend Gründe, schon im Bundesrat zuzustimmen, sagte Heil. "Für den Fall, dass heute im Bundesrat das Bürgergeld noch keine Mehrheit findet, wird die Bundesregierung noch am heutigen Tag den Vermittlungsausschuss anrufen." Für diesen Fall "ist meine Hand zur Lösung ausgestreckt". Ziel sei es, bis zur nächsten regulären Bundesratssitzung am 25. November zu einer Einigung zu kommen. Das Gesetzgebungsverfahren müsse noch bis Ende November abgeschlossen werden, damit das Gesetz am 1. Januar 2023 in Kraft treten könne.

Scharfe Kritik kam vor allem von Bayern, das in der Länderkammer dann mit Nein stimmte. "Das Gesetz ist und bleibt das falsche Signal zur falschen Zeit", sagte der Staatsminister für Bundesangelegenheiten, Florian Herrmann (CSU). Vom Grundsatz "Fördern und Fordern" der Hartz-IV-Reform, der richtig gewesen sei, bleibe nur wenig übrig. Sanktionsmöglichkeiten gegenüber unkooperativen Leistungsbeziehern seien fast völlig ausgeschlossen, das Schonvermögen sei völlig überhöht angesetzt. "Damit sendet die Ampelkoalition das Signal: Arbeiten lohnt sich immer weniger." Das Gesetz sei "von Grund auf sozial unausgewogen".

Mit dem neuen Bürgergeld soll das umstrittene System Hartz IV überwunden werden. Vorgesehen ist eine Erhöhung des heutigen Regelsatzes von 449 Euro auf 502 Euro für alleinstehende Leistungsempfänger. Das befürwortet auch die Union. Arbeitslose sollen künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug unter Druck gesetzt werden, speziell im ersten halben Jahr ("Vertrauenszeit"). Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern will die Ampel lockern. Bei diesen Punkten hält die Union seit Wochen ihr Stoppschild hoch.

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ist eine Art politisches Schlichtungsgremium. Erhält ein vom Parlament beschlossener Gesetzentwurf in der Länderkammer keine Zustimmung, kann hier nach einem Kompromiss gesucht werden. Der Ausschuss besteht aus 32 Mitgliedern - je 16 von Bundestag und Bundesrat. Sie sind nicht an Weisungen gebunden. Erzielt der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss, was meistens der Fall ist, dann muss der Gesetzentwurf in seiner neuen Fassung nochmals vom Bundestag und anschließend auch vom Bundesrat beschlossen werden.

Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf am vergangenen Donnerstag mit der Mehrheit von SPD, Grüne und FDP verabschiedet. Einen Vorschlag der Union, die Erhöhung der Regelsätze aus dem Entwurf auszukoppeln und separat zum 1. Januar in Kraft treten zu lassen, lehnte die Ampel-Fraktionen ab./faa/DP/jha

Quelle: dpa-AFX