Seit kein Erdgas mehr aus Russland kommt, muss es Uniper für viel Geld woanders besorgen. Wegen der Systemrelevanz liegt die Betonung auf «muss»: Uniper deckt rund ein Drittel der deutschen Gasversorgung ab. Zu den Kunden zählen rund 500 Stadtwerke. Milliardenverluste sind die Folge.

Damit Uniper nicht pleitegeht, übernimmt jetzt für mehrere Jahre der Bund das Ruder als Fast-Alleineigentümer - und bringt Milliarden mit. Die von der EU genehmigten Staatshilfen bis zu 34,5 Milliarden Euro sind dabei an strenge Auflagen geknüpft. Am Dienstag gab die Brüsseler Behörde die Einzelheiten bekannt.

Uniper muss Firmen verkaufen

Die Auflagen sollen den Wettbewerbsvorteil ausgleichen, den Uniper auf dem Markt durch die milliardenschweren Hilfen hat. Sie sehen unter anderem den Verkauf von Tochterfirmen und anderen Unternehmensteilen bis spätestens Ende 2026 vor. In Deutschland muss Uniper etwa das 2020 in Betrieb genommene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 und das Fernwärmegeschäft abgeben. Außerdem soll das Stromgeschäft in Nordamerika, das Geschäft mit Schiffstreibstoffen im Mittleren Osten, das internationale Helium-Geschäft und ein Gaskraftwerk im ungarischen Gönyu veräußert werden.

Weiter muss Uniper seine Beteiligungen an zwei Erdgas-Pipelines veräußern: Betroffen ist die Opal-Leitung zwischen Lubmin in Vorpommern und südlicheren Bundesländern wie Brandenburg und Sachsen sowie die BBL-Pipeline, eine Verbindung zwischen den Niederlanden und Großbritannien. Auch die Beteiligungen an einer lettischen Gasgesellschaft und sein Geschäft in Russland unter der Marke Unipro muss Uniper abgeben.

Betriebsrat: «Harte Einschnitte»

Der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Harald Seegatz, spricht von «harten Einschnitten». Besonders der Verkauf von Datteln 4 und des Fernwärmegeschäfts sei für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen schmerzlich. Aus Unternehmenskreisen war vorsichtige Erleichterung zu vernehmen. Geschäftsteile abzugeben sei immer schmerzhaft, hieß es. Allerdings hätte es schlimmer kommen können, vor allem mit Blick auf Unipers Zukunftsfähigkeit.

Der Konzern scheint also mit einem blauen Auge davongekommen zu sein: Die Unipro-Mehrheitsbeteiligung wollte Uniper ohnehin verkaufen. Sogar ein Käufer ist eigentlich schon gefunden, allerdings steht die Genehmigung der russischen Aufsichtsbehörden aus. Auch darf Uniper größter Gasspeicherbetreiber in Deutschland bleiben und seine Kraftwerke etwa in den Niederlanden und in Schweden behalten. Der Energiehandel und -vertrieb wird ebenfalls nicht substanziell beschnitten. Keine Einschränkungen gibt es im Geschäft mit erneuerbarer Energie.

Uniper kann nicht weitermachen wie bisher

Uniper hat sich zu einer Reihe marktöffnender Maßnahmen verpflichtet. Dazu zählt die Auflage, die Marktposition im Vertrieb nicht auszubauen und Wettbewerbern Zugang zu Transport- und Speicherkapazitäten zu gewähren. Bis Ende 2026 darf Uniper nur Firmen kaufen, die für den Fortbestand des Unternehmens oder für die Dekarbonisierung des Geschäfts notwendig sind. Die EU-Kommission muss solche Käufe genehmigen. Außerdem muss sich Uniper mit 30 Prozent seines bereinigten operativen Gewinns vor Zinsen und Steuern außerhalb des Vertriebsgeschäfts an der Gas-Ersatzbeschaffung beteiligen.

Warum Uniper gerettet werden musste

Der Düsseldorfer Konzern ist wegen des russischen Gaslieferstopps in Existenznot geraten. Die Gaspreise haben sich vervielfacht. Das fehlende Gas muss das Unternehmen vergleichsweise teuer auf dem Markt kaufen, um eigene Lieferverträge zu günstigeren Konditionen zu erfüllen. Das führt zu Liquiditätsproblemen.

Insolvenz hätte unabsehbare Folgen gehabt

Uniper beliefert neben rund 500 Stadtwerken auch etwa 500 Großkunden aus der Industrie. Das Unternehmen spielt damit eine zentrale Rolle für die Erdgasversorgung. Bei einer Insolvenz wurde ein Dominoeffekt befürchtet, der zahlreiche Stadtwerke und Unternehmen in große Schwierigkeiten gebracht hätte. In der Folge wären Millionen Haushalte und weitere Unternehmen betroffen gewesen.

Großhandelspreise sorgen für Verluste

Uniper wird wohl auch weiter Verluste in Milliardenhöhe schreiben, weil die Kosten für die Gasbeschaffung die Einnahmen durch die bestehenden Verträge deutlich übersteigen. Erst Ende 2024 laufen die letzten Kundenverträge aus, deren Konditionen darauf basierten, dass der russische Staatskonzern Gazprom günstiges Gas liefert. Bis dahin könnten die Verluste auf bis zu 40 Milliarden Euro anschwellen, schätzt das Konzernmanagement. Dafür wird das Geld vom Bund benötigt.

Allerdings soll die Beteiligung für den Staat nicht für immer sein. Bis spätestens 2028 hat sich der Bund verpflichtet, seinen Anteil von den geplanten fast 99 Prozent auf maximal 25 Prozent plus eine Aktie zu verringern. Mit diesem Anteil behielte der Bund eine Sperrminorität, die ihm auch in Zukunft ein Mitspracherecht bei wichtigen Unternehmensentscheidungen einräumt.

Habeck: Auflagen mit Augenmaß

Wirtschaftsminister Robert Habeck bezeichnete die Auflagen als Beihilferegeln mit Augenmaß. Es sei konsequent, wenn es bei einer Verstaatlichung eines Unternehmens, das im Wettbewerb stehe, Spielregeln gebe. Zwar würden Marktmöglichkeiten beschnitten, aber nicht so, dass das Unternehmen nicht Gewinne machen könne.

Wie erwartet, begann Uniper kurzfristig mit der Umsetzung der jetzt final genehmigten Maßnahmen. Am Mittwoch beschloss der Vorstand eine Kapitalerhöhung um gut 5,5 Milliarden Euro durch die Ausgabe von neuen Aktien. Nur der Bund darf sie zeichnen. «Mit der heutigen Kapitalerhöhung ist die Stabilisierung von Uniper noch in diesem Jahr gelungen», sagte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach laut einer Mitteilung. Damit seien Uniper in diesem Jahr effektiv 13,5 Milliarden Euro an staatlicher Unterstützung über Eigenkapitalmaßnahmen zugeflossen.

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