Knapp elf Jahre nach der Pleite der Drogeriemarktkette Schlecker zieht sich das Insolvenzverfahren weiter in die Länge - aber für die Gläubiger gibt es neue Hoffnung, dass am Ende mehr Geld zum Verteilen da ist. Grund ist eine große Schadenersatz-Klage des Insolvenzverwalters gegen mehrere Drogerieartikel-Hersteller, die bislang erfolglos blieb. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) könnte sich aber möglicherweise das Blatt wenden. Der Kartellsenat entschied am Dienstag, dass alles noch einmal neu geprüft werden muss.

Die Forderungen richten sich gegen etliche große Drogerieartikel-Hersteller. Das Bundeskartellamt hatte gegen die Unternehmen Bußgelder verhängt, weil sie zwischen 2004 und 2006 in einem gemeinsamen Arbeitskreis Informationen ausgetauscht hatten. Dabei ging es etwa um beabsichtigte Preiserhöhungen oder den Stand der Verhandlungen mit einzelnen Handelsketten. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz meint, dass Schlecker deshalb im Einkauf überhöhte Preise zahlen musste. Er will rund 212 Millionen Euro Schadenersatz.

In erster Instanz gescheitert

In den ersten Instanzen war seine Klage abgewiesen worden. Das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) hatte es für nicht sehr wahrscheinlich gehalten, dass Schlecker durch den Informationsaustausch ein Schaden entstanden sein könnte.

Damit sind die Karlsruher Richterinnen und Richter nicht einverstanden. Der Vorsitzende Wolfgang Kirchhoff sprach bei der Urteilsverkündung von einem «Erfahrungssatz», wonach ein derartiger kartellrechtswidriger Austausch geheimer Informationen mit großer Wahrscheinlichkeit zu höheren Preisen führe. Das OLG habe zwar ebenfalls so einen Erfahrungssatz unterstellt, ihm jedoch rechtsfehlerhaft ein zu geringes Gewicht beigemessen.

Der Ausgang der nun notwendigen zweiten OLG-Verhandlung ist damit trotzdem noch nicht vorgezeichnet. Kirchhoff sagte, eine Rolle spielten immer die Umstände im Einzelfall. Tendenziell dürfte sich die Position des Insolvenzverwalters aber verbessert haben.

Im «Kampf für die Masse-Gläubiger»

Geiwitz selbst teilte mit: «Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir den durch die illegalen Absprachen entstandenen Schaden vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt belegen können.» Die Kartellklagen seien «ein Kampf für die Masse-Gläubiger und damit vor allem auch für die Schlecker-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter wie auch für jeden Steuerzahler, da die Bundesagentur für Arbeit hohe Ansprüche aus dem Verfahren hat.»

Dabei geht es um offene Ansprüche auf eine maximal dreimonatige Lohnfortzahlung bei Kündigung. Schlecker, einst die größte Drogeriemarktkette Europas mit Sitz im baden-württembergischen Ehingen, hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Viele Tausende Mitarbeiterinnen - es waren vor allem Frauen - verloren ihre Arbeit.

Das Verfahren gegen die Drogerieartikel-Hersteller ist die größte von mehreren Kartellklagen, die Geiwitz erhoben hat. Nach Auskunft eines Sprechers laufen noch drei weitere Schadenersatz-Prozesse, jeweils in der ersten Instanz. Am Stuttgarter Landgericht gehe es um Waschmittel und Kaffee, am Landgericht Mannheim um Zucker. Ein fünfter Streit mit Süßwaren-Herstellern sei außergerichtlich beigelegt worden.

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