Der Großteil der für Anleger geschaffenen Werte auf dem deutschen Aktienmarkt kommt von nur wenigen Titeln. In den vergangenen 20 Jahren wurden über Kursgewinne, Dividenden und Aktienrückkäufe 1,7 Billionen Euro an Wert erzielt, zeigt eine Studie des Flossbach von Storch Research Institutes.

Viele deutsche Aktien brachten Anlegern demnach seit Januar 2003 unterm Strich kein Geld, während schon zwölf Titel für die Hälfte des geschaffenen Gesamtwertes standen, so das Institut des gleichnamigen Kölner Vermögensverwalters. Das unterstreicht, wie leicht Anleger mit Investments in einzelne Aktien danebenliegen können.

Für die Studie wurden alle gut 1000 Aktien deutscher Firmen analysiert, die zwischen Anfang 2003 und Dezember 2022 in den Segmenten Prime Standard und General Standard der Deutschen Börse öffentlich gehandelt wurden. Die Experten maßen die Wertschaffung der Aktien an der Rendite von Bundesanleihen mit einem Monat Restlaufzeit, um einen Vergleich mit sehr kurzen und sicheren Anlagen zu schaffen - ähnlich Geld auf dem Konto in den Jahren der Niedrigzinspolitik. Aktienrenditen über jener von solchen Bundesanleihen wurden als Wertschaffung definiert. Der Start der Studie wurde auf 2003 gelegt, so dass der Aktienmarkt nach dem Einbruch des Neuen Marktes von einem Tief betrachtet werden konnte.

1,7 Billionen Euro mit 118 Titeln

Das Ergebnis zeigt die Bedeutung von Dividenden für Aktionäre: Vom gesamten geschaffenen Wert entfielen 52 Prozent auf sie. Die übrigen 41 Prozent entstanden durch Kurssteigerungen und 7 Prozent über Aktienrückkäufe.

Listet man die geschaffenen Werte aller Aktien auf, wird die Summe von 1,7 Billionen Euro schon mit den ersten 118 Titeln erreicht, rund 12 Prozent der Papiere. Einige Aktien dahinter schufen auch Wert. Die Verlustbringer fraßen ihren Beitrag aber im Saldo auf.

«Nur wenige große, meist gut gemanagte Unternehmen in attraktiven Branchen dominieren den deutschen Aktienmarkt», sagt Studienautor Philipp Immenkötter. «Sie sind schon lange gelistet und über Jahre gewachsen.» Nur sechs von zehn deutschen Aktien erzeugten langfristig Wert. Das schwache Abschneiden der allermeisten bedeute für Anleger, dass «große Vorsicht bei der Wahl der Aktientitel geboten ist».

Den größten Wert für Anleger schufen laut der Studie die Dax-Konzerne Siemens, SAP, Allianz, Mercedes-Benz und Deutsche Telekom mit je über 75 Milliarden Euro. Es folgten BASF, BMW, Volkswagen (Stammaktien), Munich Re und Deutsche Post. Zu den größten Wertvernichtern seit 2003 gehören die Papiere der Commerzbank, des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate und der Deutschen Bank, die mit fast 25 Milliarden Euro Wertvernichtung auf dem letzten Platz (1013) landete.

Jedoch hängt das Bild vom Untersuchungszeitraum ab: Hätte Flossbach von Storch die Analyse vor dem Einbruch des Neuen Marktes angesetzt, hätte zum Beispiel die Deutsche Telekom schlechter abgeschnitten.

Der Absturz der zuvor als «Volksaktie» gepriesenen Telekom-Aktie kurz nach der Jahrtausendwende gilt als ein Grund für die vergleichsweise schwache Aktienkultur in Deutschland. Zwar stieg die Zahl der Aktionäre im vergangenen Jahr auf den Rekord von 12,89 Millionen, wie Daten des Deutschen Aktieninstituts (DAI) zeigen. Die Quote ist in anderen Industriestaaten aber teils deutlich höher.

Experten raten zu breiter Streuung

Breite Investments in Aktien waren langfristig ertragreich. So konnten Anleger mit Dax-Aktien laut DAI über die vergangenen 20 Jahre im Schnitt 8,2 Prozent Rendite im Jahr erwirtschaften. Bei Investments in weltweite Aktien gemessen am Index MSCI World stünde in dem Zeitraum eine jährliche Rendite von 8,7 Prozent.

Mit Einzelaktien selbst großer Konzerne gehen Anleger hohe Risiken ein. Experten raten daher, Börseninvestments breit und auch global zu streuen, etwa mit Fonds oder günstigen börsengehandelten Indexfonds (ETFs), die ohne Fondsmanager auskommen. Denn die wenigsten Investoren finden auf Dauer die Gewinnbringer der Börsen.

«Von Investments in Einzelaktien raten wir generell ab», sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. «Zwar besteht die Chance, dass Investoren mit einzelnen Titeln den breiten Markt schlagen, doch die ist klein. Statt die Nadel im Heuhaufen zu suchen, sollte man lieber den ganzen Heuhaufen kaufen.»

Konzentration auf Gewinnbringer

Auch Nauhauser rät Anlegern zu ETFs, die schlicht einen Index abbilden, etwa den Weltaktienindex MSCI All Countries World. Denn je niedriger die Kosten seien, desto höher die langfristige Rendite. Anleger, die Wert auf hohe laufende Ertragsausschüttungen legten, könnten zudem auf globale Dividenden-ETFs setzen.

Die Konzentration von Gewinnbringern an der Börse sei kein deutsches Phänomen, erklärt Nauhauser. So zeige eine Studie der Arizona State University von 2018, dass von 25.000 untersuchten US-Aktien seit 1927 nur 86 Titel für die Hälfte des Ertrags des Aktienmarkts stünden. Weniger als die Hälfte der 25.000 Aktien habe über ihre Lebenszeit überhaupt eine positive Rendite, inklusive Dividenden.

Lohnt es zu schauen, welche Aktien in früheren Jahren am besten abschnitten? Das sei kein guter Ratgeber, meint Nauhauser. «Die Top-Performer der Vergangenheit müssen mitnichten die der Zukunft sein.» So seien viele Bankaktien vor der globalen Finanzkrise an der Börse gut gelaufen, danach aber besonders schlecht.

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