Wenn Wolfgang Lohbeck (78) und Albrecht Meyer (80) an den 15. März 1993 zurückdenken, dann nicht ohne Stolz. Der Greenpeace-Mann aus Hamburg und der Ingenieur aus dem Erzgebirge waren damals maßgeblich an einer Technik-Revolution beteiligt: dem Start der Serienproduktion des weltweit ersten Kühlschrankes ohne den Ozon-Killer FCKW. Das Gerät wurde beim ehemaligen DDR-Unternehmen Foron Hausgeräte GmbH gebaut. Die Umweltorganisation und die Sachsen waren eine ungewöhnliche West-Ost-Kooperation eingegangen.

Inzwischen wurden weltweit viele Hundert Millionen FCKW-freie Kühlschränke gebaut, in Deutschland wurde das Treibhausgas 1995 in Neugeräten verboten. Vor allem bei der Energieeffizienz der Geräte hat sich viel getan. Fachleute schätzen den Stromverbrauch moderner Kühlschränke auf 30 bis 40 Prozent dessen, was die Geräte 30 Jahre zuvor verbraucht haben. Ähnliche Zahlen verwendet der Branchenriese BSH Hausgeräte. Ein Einbaukühlschrank der Marke Bosch etwa habe 1994 noch 226 Kilowattstunden im Jahr verbraucht - ein vergleichbares Gerät liege heute bei nur rund 74 Kilowattstunden.

Wenig Gegenliebe für Idee vor 30 Jahren

Diese Entwicklung treibt die Industrie nicht nur aus selbstlosen Zwecken voran: «Das Energielabel gehört bei Hausgeräten zu den wichtigsten Faktoren für die Kaufentscheidung», sagt Petra Süptitz vom Konsumforschungsunternehmen GfK. Im Vordergrund stünden immer noch der Preis und die Qualität. Aber Stromsparen und der Wunsch, etwas für die Umwelt zu tun, seien für Konsumenten echte Anreize.

Vor 30 Jahren sah es in der Branche noch etwas anders aus, wie Lohbeck erzählt. Der Greenpeace-Mann suchte damals eine Firma, die einen FCKW- und FKW-freien Kühlschrank baut. Die bundesdeutsche Kühlschrank-Industrie habe jedoch strikt auf das Mittel R134a gesetzt. Das ist ein Fluorkohlenwasserstoff (FKW), der zwar kein Chlor mehr enthält, aber immer noch ein hohes Treibhauspotenzial hat. Greenpeace und Lohbeck wollten dagegen nur mit Kohlenwasserstoffen kühlen. Die Idee stieß bei den großen Kühlschrankherstellern nicht auf Gegenliebe. «Die haben richtig wütende Reaktionen auf uns niederprasseln lassen.»

Bei seiner Suche sei er dann schließlich auf den Ost-Produzenten DKK Scharfenstein gestoßen, wie Foron bis 1993 hieß. Für Meyer - damals Chef der Versuchsabteilung - waren die Treuhand und die drohende Abwicklung drängende Themen. «Ich war der Meinung, für uns könnte das eine Rettung sein und hab mich dahintergeklemmt, diese Stoffe zu testen», erinnert sich Meyer.

Das Unternehmen sei zunächst zugeknöpft gewesen, erzählt Lohbeck. «Sie hatten keine Erfahrung mit Greenpeace und wollten nicht, dass Greenpeace plötzlich am Schornstein klebt.» Im Juli 1992 wurde vereinbart, zehn Test-Kühlschränke zu bauen. 27.000 D-Mark wollte Greenpeace dafür zahlen. Doch dann hätten sich die Ereignisse überschlagen, erzählt Lohbeck.

Am 14. Juli sei ein Zeitungsbericht erschienen, wonach die Treuhand die Firma liquidieren wollte. «Da sind wir in die Offensive gegangen.» Am 16. Juli wurde zur Pressekonferenz nach Niederschmiedeberg im Erzgebirge geladen. Thema: der FCKW-freie Kühlschrank und die drohende Abwicklung durch die Treuhand. «Es war eine der längsten und turbulentesten Pressekonferenzen von Greenpeace», sagt Lohbeck. Am Ende baute Foron den Kühlschrank - gegen alle Widerstände der Branche.

Trend zu größeren Geräten

Die stellt sich heute betont umweltbewusst auf. BSH Hausgeräte etwa bietet nicht nur bereits Kühlgeräte in der höchsten Effizienzklasse A an. Bei einigen Geräten will die Bosch-Tochter auch auf umweltfreundliche Materialien setzen.

Zugleich gibt es aber auch einen Trend hin zu größeren und leistungsstärkeren Geräten, beobachtet GfK-Expertin Lüptitz. «Die Leute blicken dann oft gar nicht mehr auf den realen Stromverbrauch, sondern lassen sich leiten von der Leistung beziehungsweise Größe eines Gerätes und der Energieeffizienzklasse.»

Dabei fällt gerade die Größe stark ins Gewicht. In der mittleren Effizienzklasse C sei man bei einem großen amerikanischen Kühlschrank schnell bei 100 Kilowattstunden jährlich, bei einem kleinen Einbaukühlschrank eher bei 60 Kilowattstunden, erklärt Tina Götsch, Energieberaterin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.«Wenn ich alle Tipps in den Wind schlage, dann bringt das Energielabel relativ wenig», sagt sie.

Stelle man den Kühlschrank etwa auf vier statt sieben Grad, erhöhe sich der Stromverbrauch. Auch warmes Essen solle nicht direkt in den Kühlschrank gestellt werden. «Diese Oma-Tipps kommen gerade mit der Energiepreiskrise wieder hoch.»

Große Konkurrenz aus Westdeutschland

Greenpeace und Foron gingen nach dem Coup 1993 getrennte Wege. «Für uns war klar: Wir sind nicht der Promoter einer Firma», sagt Lohbeck. Die Foron-Leute, allen voran ihr 2015 gestorbener Chef Eberhard Günther, bedauerten später, dass sie sich ihr Kältemittel nicht patentieren ließen. Man habe damals auf Greenpeace gehört, die genau das nicht wollten. Ob man das Gemisch überhaupt zum Patent hätte anmelden können, ist allerdings umstritten. Lohbeck sagt klar nein, Meyer meint zumindest, es wäre schwierig geworden.

Gerettet hat Foron die Kühlschrank-Revolution am Ende nicht. Die großen Konkurrenten aus Westdeutschland zogen schnell nach. «Zwei Jahre, dann war die Nummer gegessen», sagt der frühere Foron-Pressesprecher Siegfried Schlottig (79). 2001 war das Unternehmen dann endgültig Geschichte. Auch Schlottig bejaht aber die Frage nach dem Stolz. Weit mehr als eine Milliarde FCKW-freie Kühlschränke gebe es inzwischen. «Das was wir damals auf die Beine gestellt haben, ist aus dem Erzgebirge um die ganze Welt gegangen.»

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