FRANKFURT (dpa-AFX) - Zinspolitik dürfte in den kommenden Wochen an den Börsen das wichtigste Thema bleiben. Am Donnerstag teilt die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsentscheidung mit. Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Notenbank die Zinsen weiter senkt - um erneut 0,25 Prozentpunkte. Nach der Sommerpause hätten sich die Aussichten für eine geldpolitische Lockerung weiter verbessert, hieß es von der Landesbank Helaba mit Verweis auf den im August erfolgten Rückgang der Inflation auf 2,2 Prozent im Euroraum.

Eine weitere Zinssenkung durch die EZB gilt an der Börse als eingepreist. Der weitere Abstieg vom Zinsgipfel stimuliere vor allem nachhaltig die konjunkturellen und damit fundamentalen Auftriebskräfte der Aktienmärkte, erklärte Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, die Bedeutung dieses Schrittes für die Börsen.

Das Überraschungspotenzial der EZB-Sitzung ist also eher gering, aber umso spannender ist der weitere Kurs der Notenbank der USA. Die Fed ist mit ihrer Zinsentscheidung knapp eine Woche nach der EZB an der Reihe. US-Notenbank-Präsident Jerome Powell hatte Ende August auf dem internationalen Notenbanker-Treffen in Jackson Hole die Märkte wissen lassen, dass die Zeit für sinkende Leitzinsen gekommen sei, weil sich die Inflationsrisiken verringert hätten.

"Die letzten US-Inflationsnachrichten hatten dazu beigetragen, dass die Fed ihren Schwerpunkt eher auf die Konjunktur- und weniger auf die Inflationssicherung setzen konnte", schrieben die Experten der Helaba. Damit bleibe der Arbeitsmarkt zentral für die künftige geldpolitische Ausrichtung der Fed.

Der jüngste Arbeitsmarktbericht aus den Vereinigten Staaten für den Monat August fiel etwas schwächer aus als erwartet. Eine Abkühlung der US-Wirtschaft und des Arbeitsmarktes zeige sich immer deutlicher, erläuterte Thomas Altmann. Portfolio-Manager beim Vermögensverwalter QC Partners. Eine Katastrophe seien die Jobdaten nicht, aber sie machten den Weg für die erste Zinssenkung im September frei.

Am Markt dürfte allerdings weiter darüber spekuliert werden, wie groß der Zinsschritt der Fed ausfallen wird. Möglich scheint einigen noch immer eine Senkung um sogar 0,5 Punkte. Es wird sich zeigen müssen, ob Anleger eher das Ausmaß der Zinssenkungen oder eine Abkühlung der Konjunktur höher gewichten. Auch die in der neuen Woche am Mittwoch anstehenden Inflationsdaten aus den USA dürften sie dabei im Blick haben, ebenso die Erzeugerpreise am Donnerstag sowie die Im- und Exportpreise am Freitag.

Die Schwankungen am Aktienmarkt könnten vorerst hoch bleiben. Es sei derzeit Unsicherheit zu spüren, schrieb Experte Halver. Technologie-Aktien würden kritisch auf Substanz abgeklopft. Hohe Bewertungen, teilweise astronomische Umsätze und Gewinne sowie Skepsis an der aktuellen Profitabilität von Unternehmen mit Geschäftsfokus auf Künstlicher Intelligenz (KI) lüden förmlich zu Gewinnmitnahmen ein. Auch eine mögliche weiche Landung der US-Wirtschaft werde hinterfragt, so Halver. Gleichzeitig ist er davon überzeugt, dass die Zinswende, welche die Fed im September einleiten dürfte, für konjunkturell frischen Wind sorgen wird.

Im schwierigen und meist schwachen Börsenmonat September wird es für den Dax in der neuen Woche darauf ankommen, wichtige Unterstützungen nicht zu reißen. Nach seinem vor wenigen Tagen erreichten Rekordhoch bei nicht ganz 19.000 Punkten war der deutsche Leitindex zeitweise unter 18.500 Punkte gerutscht. Damit hatte er von seiner fast 2000 Punkte umfassenden Erholung seit dem Kurseinbruch Anfang August etwa ein Viertel wieder eingebüßt. Unter der 18.500er-Marke bieten die für den kurzfristigen Trend relevante 21-Tage-Linie sowie die für den mittelfristigen Verlauf wichtige 50-Tage-Linie die Unterstützungen./ajx/mis/men

--- Von Achim Jüngling, dpa-AFX ---