FRANKFURT (dpa-AFX) - Auch die neue Woche steht am Aktienmarkt im Bann der Währungshüter. Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer ersten Senkung seit 2019 die Zinswende eingeläutet hat, richten sich die Blicke nun auf die US-Notenbank Fed. Sie trifft am Mittwoch ihre nächste Entscheidung, gefolgt von der Bank of Japan am Freitag.

"Die Fed wird auf ihrer anstehenden Sitzung den Leitzins nicht ändern", sagte am Freitag der Devisenstratege Christian Apelt von der Helaba. "Spannend werden dagegen ihre Projektionen und Einschätzungen", äußerte sich der Experte ähnlich wie viele vor einigen Tagen zur EZB.

Apelt verwies darauf, dass es in den USA zuletzt ein paar schwächere Konjunkturdaten gegeben habe, die wieder Zinssenkungserwartungen geschürt hätten. Am Freitag allerdings zeigte sich der US-Arbeitsmarkt robust bei gleichzeitig hohem Lohnwachstum - eine Kombination, die laut Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners die Fed noch länger von Zinssenkungen abhalten könnte.

Vor dem Fed-Entscheid am Mittwoch kommen in letzter Minute aber noch wichtige Daten aus den USA, die von großer Relevanz für die Entscheidungen der Notenbank sind. Laut dem Investmentexperten Christian Nolting von der Postbank tritt nämlich der seltene Fall ein, dass am selben Tag auch die US-Verbraucherpreisindizes veröffentlicht werden. Dies könnte im Tagesverlauf zu "interessanten Marktentwicklungen" führen, so der Experte. Laut dem Helaba-Experten Apelt dürften sie zeigen, dass der Prozess einer nachlassenden Inflation weiter stockt.

Die EZB erfüllte am vergangenen Donnerstag die Erwartung einer Zinssenkung, hielt sich aber mit Aussagen zu weiteren Zinserleichterungen bedeckt und lieferte damit keinen Treibstoff für Europas Börsen, wie die Kursentwicklung des Dax zu Wochenschluss zeigt. Der deutsche Leitindex orientierte sich am Freitag eher an das untere Ende seines jüngsten Schwankungsbereichs, der von rund 18 400 bis zum Rekordhoch bei knapp 18 900 Punkten reicht.

Anders als in New York müssen sich die Dax-Anleger vorerst also nicht mit neuen Rekorden auseinandersetzen. Auch an den tonangebenden Börsen in New York gilt es als unsicher, ob eine Fortsetzung der Rekordjagd bei den Nasdaq-Indizes und dem S&P 500 möglich ist. Laut dem Baader-Bank-Experten Robert Halver ist die Stimmung am US-Aktienmarkt bereits von hoher Risikobereitschaft geprägt, sodass es Korrekturrisiken gebe. Er sieht aber zugleich keine Hinweise auf markante Börseneinbrüche.

Unternehmensseitig dürften die Blicke auch vermehrt über den Atlantik gerichtet werden - und zwar am Montag auf eine Entwicklerkonferenz des iPhone-Herstellers Apple, am Dienstag auf Auslieferungszahlen des Airbus-Konkurrenten Boeing, am Mittwoch auf die Resultate des Künstliche-Intelligenz-Mitfavoriten Broadcom und am Donnerstag auf die Zahlen des Software-Riesen Adobe.

Vom Ergebnis der Europawahl erwarten viele Börsianer ab Montag keinen direkten, größeren Einfluss auf die Finanzmärkte. "Wir sind der Meinung, dass der Dax eher der allgemeinen Entwicklung an den Aktienmärkten folgt, als auf die EU-Wahlen zu reagieren", sagte der Postbank-Experte Nolting nach einer Analyse der Handelsmuster rund um bisherige Europawahlen.

Politisch könnte die Wahl jedoch entscheidenden Charakter bekommen, weil die Europäische Union (EU) an einem historischen Wendepunkt stehe, sagte am Freitag der UBS-Experte Burkhard Varnholt. Er sieht darin eine Chance, aber auch ein Risiko. "Ein politisches Vakuum von mehreren Monaten ist das Letzte, was die EU derzeit braucht", so der Fachmann. Mit mehr Vertrauen in die eigenen Institutionen könnte Europa aufholen zur US-Wirtschaft.

Die Helaba fasste in ihrem Wochenausblick zusammen: "Wenn die Fed die Laune nicht bremst, kann sich der Aktien-Höhenflug durchaus noch fortsetzen, nicht nur in den USA", sagte Apelt. "Wem die Finanzmärkte derzeit aber zu langweilig sind, kann sich aber auch einem anderen Thema widmen, das grundsätzlich Spannung verspricht", ergänzte der Experte. Denn zu guter Letzt beginnt Ende der Woche in Deutschland die 17. Austragung der Fußball-Europameisterschaft.

Die Experten der Deutschen Bank rechneten vor, dass die Gastgeberschaft alleine wohl kein großer Antreiber einer konjunkturellen Erholung in Deutschland werde. "Der Effekt könnte allerdings größer und nachhaltiger sein, wenn sich in Deutschland so etwas wie das Sommermärchen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wiederholen würde", schrieb ein Expertenteam um Chefökonom Robin Winkler./tih/ag/ngu