FRANKFURT (dpa-AFX) - Am deutschen Aktienmarkt könnte es in der neuen Woche noch ungemütlicher werden. Neben der kurzfristig anberaumten französischen Parlamentswahl drücken Sorgen wegen eines möglichen Handelskonflikts mit China auf die Stimmung. Zudem verpasste die US-Notenbank Fed zuletzt Hoffnungen auf eine zügige geldpolitische Lockerung trotz erfreulicher Inflationszahlen postwendend einen Dämpfer.

Börsenfachmann Andreas Lipkow sieht den Dax "in einer handelstechnischen Gefahrenzone", nachdem ihn die jüngsten Verluste unter die 21- und 50-Tage-Durchschnittslinien gedrückt haben. Diese gelten als charttechnische Indikatoren für die kurz- bis mittelfristige Entwicklung. Um den Abwärtstrend zu stoppen, müsse der deutsche Leitindex den Kursbereich um die 18 350 Punkte zurückerobern, betont der Experte.

Noch vor knapp einem Monat hatte der Dax bei fast 18 900 Punkten ein Rekordhoch erreicht. Obwohl er davon inzwischen um knapp 5 Prozent zurückgefallen ist, behauptet er seit Jahresbeginn einen Kursanstieg von etwa 7,5 Prozent. Das ist geringfügig mehr als bei seinem Eurozonen-Pendant EuroStoxx 50 und deutlich mehr als beim US-Leitindex Dow Jones Industrial - entsprechend groß ist die Fallhöhe.

Analystin Claudia Windt von der Landesbank Helaba traut den Börsen indes eine zumindest moderate Erholung von den jüngsten Rückschlägen zu. Sie setzt darauf, dass anstehende US-Daten zum wichtigen Einzelhandelsumsatz und zur Industrieproduktion "die Hoffnungen auf eine Zinssenkung der Fed im September nicht dämpfen". Dazu sollten die Einkaufsmanagerindizes für die Industrie der Eurozone sowie der deutsche ZEW-Index weiter eine Konjunkturerholung signalisieren.

Zuletzt hatte der Rechtsruck bei der Europawahl für trübe Stimmung gesorgt. Ganz überraschend kam er nicht - wohl aber die Entscheidung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei eine Neuwahl des heimischen Parlaments anzuordnen. Bereits Ende Juni steht die erste Wahlrunde an, die in vielen Fällen wahrscheinlich nötige Stichwahl eine Woche später. Zu befürchten ist, dass Marine Le Pens rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) - ähnlich wie bei der Europawahl - einen klaren Sieg einfahren wird.

Macrons Schachzug setzte nicht nur den heimischen Aktienmarkt unter Druck, sondern löste auch einen deutlichen Anstieg der Risikoprämien bei französischen und italienischen Staatsanleihen aus. Eine rechtspopulistische Regierung könnte "den Reformkurs Frankreichs in einer ohnehin angespannten Haushaltslage deutlich erschweren", warnt Helaba-Expertin Windt. Zudem drohten mit dem Erstarken rechter Parteien, die mehr nationale Souveränität in Europa forderten, die Konflikte um die europäische Schuldenpolitik wieder aufzubrechen.

Die für eine RN-Regierung nötige absolute Mehrheit sei allerdings keinesfalls sicher, betonte Mohit Kumar vom Analysehaus Jefferies. Und Ökonom Raphael Brun-Aguerre von der US-Bank JPMorgan verwies darauf, dass Präsident Macron auch im Falle einer RN-Regierung einigen Einfluss auf die Gesetzgebung hätte und binnen eines Jahres erneut Wahlen ansetzen könnte. Zudem sieht Brun-Aguerre Hinweise dafür, dass die Parteiagenda sich weniger negativ auf die öffentlichen Finanzen des Landes auswirken könnte als bisher angenommen.

Auch die angedrohten Strafzölle der EU für chinesische Elektroautos und mögliche Vergeltungsmaßnahmen könnten sich als nicht so gravierend erweisen wie von einigen Anlegern befürchtet. Zum einen ist bis zur ersten Juliwoche immer noch eine Einigung zwischen den Streitparteien möglich, womit die Strafzölle nicht in Kraft träten. Und zum anderen seien Umfang und Wirksamkeit der angekündigten Reaktion unsicher, "insbesondere da die chinesische Wirtschaftsentwicklung gegenwärtig mehr denn je vom Außenhandel abhängig ist", wie Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank betont.

Über die chinesische Wirtschaftsverfassung liefern die am Montag anstehenden Industrieproduktionsdaten neue Erkenntnisse. Das verarbeitende Gewerbe war in den vergangenen Monaten der Dekabank zufolge die wichtigste Stütze.

Tags darauf wird neben US-Daten zu Einzelhandel und Industrieproduktion der ZEW-Index veröffentlicht, der die Konjunkturerwartungen für die deutsche Wirtschaft misst. Am Donnerstag dürfte der Zinsentscheid der britischen Notenbank einen Blick wert sein und am Freitag neben Einkaufsmanagerindizes der Industrie aus der Eurozonen und den USA der große Verfallstermin an den Terminbörsen.

Die Unternehmensagenda in der neuen Woche ist übersichtlich. Neben Kapitalmarktveranstaltungen des Diagnostikspezialisten Qiagen am Montagabend sowie des Konsumgüterherstellers Beiersdorf am Dienstag zeichnen sich keine wichtigen Termine ab./gl/jkr/mis

--- Von Gerold Löhle, dpa-AFX ---