FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Dax muss sich in den kommenden Tagen wohl weiter an den 16 000 Punkten messen lassen. Zum Juni-Ausklang dürfte die runde Marke Dreh- und Angelpunkt dafür bleiben, ob es sich bei den jüngsten Verlusten nur um eine Gegenbewegung auf Rekordniveau oder um den Auftakt einer größeren Korrektur handelt. Laut der Helaba ist von der Euphorie der Anleger derzeit nicht mehr viel übrig. Neuerdings hemmt die wieder präsente Zinsangst die Risikobereitschaft der Anleger.

"Zum ersten Mal in diesem Jahr stehen die Zeichen auf Verkauf", sagte Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets angesichts der jüngsten Verlustserie, die am Freitag wohl auf einen fünften Tag anwächst. Vom Rekord bei 16 427 Punkten hat sich der Leitindex in der Spitze schon um mehr als 600 Punkte entfernt. Molnar zufolge liegt die nächste, wichtige Unterstützung nun bei 15 700 Punkten. Entlastung werde es aber wohl erst bringen, wenn der Dax die 16 000er Marke nicht nur testen, sondern wieder überwinden könne.

Laut Chefvolkswirt Ulrich Kater von der DekaBank waren die jüngsten Gewinnmitnahmen "vor allem auf neue Warnzeichen aus dem Lager der Notenbanken zurückzuführen". Sowohl die US-Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank hatten zuletzt Andeutungen gemacht, dass weitere Zinssteigerungen notwendig werden. Auch die teils unerwartet deutlichen Leitzinserhöhungen in Großbritannien, Norwegen und der Schweiz erinnerten die Anleger zuletzt daran, dass sich die internationale Zinsspirale weiter dreht.

Kater zufolge sinken zwar die Inflationszahlen, dies aber nur einseitig getrieben von normalisierten Preisen für Energie und Vorprodukte. Diese Wirkung sei endlich, und so könnte die Teuerung bald wieder anziehen, etwa durch höhere Lohnabschlüsse. "Diese neuen Zinsperspektiven müssen die Aktienmärkte erst einmal verarbeiten", ergänzte Kater. Wichtig würden dann auch die Auswirkungen auf die Konjunktur. "Sollte sich diese in den kommenden Wochen als weiterhin relativ stabil erweisen, könnten die Märkte schnell wieder nach oben drehen."

Nachdem die großen Zinsentscheide vorerst durch sind, hält die Agenda in den kommenden Tagen weniger Höhepunkte bereit. Neue Eindrücke, wie stark die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrem Kampf gegen die Inflation unter Druck steht, könnten am Donnerstag und Freitag die in Deutschland und der Eurozone anstehenden Verbraucherpreise für den Juni vermitteln. Die Commerzbank rechnet zwar mit einem moderaten Anstieg der Teuerung in Deutschland auf 6,3 Prozent, aber einem Rückgang in der Eurozone auf 5,5 Prozent.

Gleich am Montagmorgen wird das vielbeachtete deutsche Ifo-Geschäftsklima veröffentlicht. Nach Ansicht der Commerzbank-Experten ist es nach den jüngsten Einkaufsmanagerindizes wahrscheinlich, dass dieses im Juni weiter gefallen ist, nachdem es im Vormonat nach sechs Anstiegen in Folge erstmals wieder gesunken war. "Offensichtlich spüren die Unternehmen mehr und mehr, dass sich die Rahmenbedingungen für die Konjunktur in den vergangenen Monaten spürbar verschlechtert haben", betonte Martin Hartmann von der Commerzbank. Eine zuletzt zunehmende Zahl an Gewinnwarnungen deutscher Unternehmen unterstreiche dies.

Im Juni weist der Leitindex bislang noch ein moderates Plus auf, im bisherigen Jahresverlauf sogar knapp 14 Prozent. Laut der Helaba bleibt damit festzuhalten, "dass das erste Halbjahr entgegen den Erwartungen überdurchschnittlich gut für Aktieninvestoren gelaufen ist". Mit solchen Gewinnen im Rücken könne die weitere Entwicklung vorsichtig beobachtet werden, zumal deutsche Standardwerte weiter mit ihrer moderaten Bewertung lockten. Experten betonen immer wieder, dass es entscheidend wird, wie Anleger agieren, die die Rally verpasst haben. Zuletzt zögerten auch diese mit einem Einstieg.

Mit dem Wechsel in den Juli steht in den kommenden Tagen auch der Wechsel ins zweite Halbjahr an. Aktienseitig könnte dies das Potenzial für einen Favoritenwechsel der Anleger mit sich bringen, wenn große Investoren bei gut gelaufenen Werten Gewinne mitnehmen und ihre Positionen zum Quartalsende möglicherweise neu ausrichten. Außerdem kommt im Juli das berühmte "Sommerloch" mit reduzierten Volumina während der Ferienzeit./tih/gl/jha/nas

- Von Timo Hausdorf, dpa-AFX -