BERLIN (dpa-AFX) - Die Blockade des Hauptstadtflughafens BER durch Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" sorgt weiter für erhitzte Gemüter. Zahlreiche Politiker äußerten am Wochenende Verständnislosigkeit für die Aktion oder forderten harte Strafen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nannte es in der "Bild am Sonntag" "dreist", dass die Aktivisten vor möglichen neuen Protesten mit mehr Schlagkraft drohen. In München wurden alle Klimaaktivisten, die dort zuletzt noch in Gewahrsam waren, wieder auf freien Fuß gesetzt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Samstag, dass er die Aktionen der Klimaaktivisten schlicht nicht nachvollziehen könne. "Sie sind nicht nur nicht verständlich, sondern auch hochgefährlich, wie man das zum Beispiel bei den Aktivitäten am BER hat genau sehen können", sagte Scholz beim Landesparteitag der SPD Brandenburg in Cottbus. CDU-Chef Friedrich Merz bezeichnete die Teilnehmer an der BER-Aktion als "kriminelle Straftäter". Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) betonte in der "Bild am Sonntag": "Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzungen hat in der Demokratie nichts verloren."

Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" hatten sich am Donnerstag Zugang zum Gelände des Hauptstadtflughafens BER verschafft und den Flugverkehr zeitweise lahmgelegt. Einige klebten sich auf dem Rollfeld fest. Das Landeskriminalamt Brandenburg ermittelt gegen sechs Aktivisten unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr, Störung öffentlicher Betriebe sowie Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung.

Nach Ansicht von CDU-Chef Merz haben die Aktionen nichts mehr mit Demonstrationsrecht oder Meinungsfreiheit zu tun. "Das sind schwerste Straftaten, die das Ziel, wofür sie da angeblich auf den Flughafen gehen, diskreditieren", sagte er am Samstag auf einem Parteitag der Berliner CDU. Die Gruppe, die zuletzt immer wieder auch Straßen blockiert hatte, erreiche das Gegenteil von dem, was sie eigentlich behaupte, erreichen zu wollen. Scholz sagte: "Ich habe auch nicht verstanden, was es dem Klima nutzt, wenn man Kunstwerke beschmiert. Insofern sollten sich die Beteiligten andere Aktivitäten überlegen als solche, die von fast niemandem in Deutschland akzeptiert werden."

In Bayern wurden derweil 19 Aktivisten, die in München an Festklebeaktionen beteiligt waren, aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Man sei am Freitagnachmittag zu dem Schluss gekommen, "dass die Voraussetzungen für Gewahrsam nicht mehr vorliegen, sprich dass weitere Straftaten der in Gewahrsam Befindlichen zumindest aktuell nicht zu erwarten sind", sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums München. Die "Letzte Generation" hatte am Freitag angekündigt, zunächst auf weitere Aktionen in Berlin und München zu verzichten. Am Samstag teilte die Gruppe mit, dass der Protest am Montag, 5. Dezember, in München "mit mehr Menschen gegen das tödliche Weiter-so" wieder aufgenommen werde.

Nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz können Bürger auf Grundlage einer richterlichen Entscheidung bis zu einen Monat lang festgehalten werden, um die Begehung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder eine Straftat zu verhindern. Dieser Zeitraum kann um maximal einen weiteren Monat verlängert werden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kritisierte die Flughafen-Blockade, zeigte aber Verständnis für die Wut der Klimaaktivisten. Die Beteiligten müssten sich fragen lassen, ob "über ihre gefährlichen Aktionen" gesprochen werden solle oder über Klimaschutz. "Was ich allerdings sehr gut verstehen kann, ist der Frust vieler Menschen: Es stimmt ja, dass zu wenig gegen die Erderhitzung getan wird", sagte die Grünen-Politikerin der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Merz erinnerte daran, dass die Union im Bundestag Strafverschärfungen für derartige Aktionen vorgeschlagen habe, "auch unter Androhung von Gefängnisstrafen spätestens beim zweiten Mal". Er wisse, dass die meisten im Gefängnis nicht besser würden. "Aber die Zeit, in der sie da sitzen, ist draußen Ruhe." Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft empfahl den von der Aktion am BER betroffenen Unternehmen und Passagieren, ihren Schaden gegenüber der Gruppe "im Wege von Schadensersatzforderungen geltend zu machen"./nif/DP/men