(Im 6. Absatz, 2. Satz wurde ein Tippfehler behoben: Kauflaune rpt Kauflaune)

BERLIN/KÖLN (dpa-AFX) - Viele Verbraucher in Deutschland erledigen ihre Einkäufe überwiegend in Klein- und Mittelstädten. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für den Standortmonitor des Handelsverbandes Deutschland (HDE). Städte mit weniger als 100.000 Einwohnern können demnach vor allem mit kurzen Fußwegen, einer angenehmen, entspannten Atmosphäre und Übersichtlichkeit punkten. Mittelstädte - also jene, wo mehr als 20.000 Menschen wohnen - werden auch für das vielfältige Angebot an Geschäften und Gastronomie geschätzt.

"Die gute Versorgung mit Gebrauchsgütern, die schnelle Erreichbarkeit des Stadtzentrums und attraktive Einkaufsangebote machen Klein- und Mittelstädte zu besonders lebenswerten Orten", sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Ein direkter Vergleich der Daten ist nicht möglich, weil die Befragung in dieser Form zum ersten Mal durchgeführt wurde. Für Genth sind die Ergebnisse "viel positiver als erwartet", die Situation in den Zentren der kleineren Städte sei "oftmals bei weitem nicht so düster wie häufig dargestellt".

Für den Handelsverband ist es eine gute Nachricht im Dickicht vieler schlechter. Das Thema Innenstädte ist und bleibt jedoch schwierig, der stationäre Handel steckt nach wie vor in einer schweren Krise, Besserung ist nicht in Sicht.

Kauflaune bleibt schlecht

Die krisenbedingte Verunsicherung der Verbraucher ist leicht rückläufig. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH. Dennoch verliert der stationäre Handel weiter an Relevanz - und die Konsumenten zunehmend die Lust am Einkaufsbummel. Der Anteil der Verbraucher, die angeben, beim Bummeln häufig etwas zu sehen und dann zu kaufen, ist in diesem Jahr laut einer Umfrage des IFH von 46 auf 42 Prozent gesunken. Mehr als jeder Dritte und damit mehr als im Vorjahr würde gern mehr in Innenstädten einkaufen, findet es aber langweilig, "weil überall die gleichen Anbieter sind". Bei Besserverdienern ist dieses Gefühl besonders ausgeprägt.

Der Handel in Deutschland leidet unter Fachkräftemangel und Insolvenzen bekannter Filialisten wie Galeria und Esprit. Die Branche ist neben dem Baugewerbe am stärksten von Pleiten betroffen, wie Auswertungen von Creditreform und Allianz Trade zeigen. Seit 2020 mussten laut HDE deutschlandweit etwa 46 000 Geschäfte schließen. Sorgen bereitet auch die wachsende Zahl von Leerständen. In knapp 30 Prozent Städte und Gemeinden gibt es nach Angaben des Handelsforschungsinstituts EHI in den Fußgängerzonen eine Leerstandsquote von mehr als 10 Prozent. In 40 Prozent der Fälle dauert es länger als sechs Monate, bis die Flächen neu vermietet sind.

Was die Unternehmen ebenfalls weiterhin plagt, ist die Kaufzurückhaltung. 2022 und 2023 waren stark von der schlechten Kauflaune geprägt, in diesem Jahr bleibt der erhoffte Aufschwung aus. Die Konsumstimmung verschlechterte sich zuletzt sogar weiter, wie die regelmäßigen Umfragen von GfK und HDE zeigen. Trotz inzwischen rückläufiger Inflation achten die Verbraucher beim Einkaufen immer noch stark auf Preise und Angebote.

Die Datenplattform Hystreet zählte in den deutschen Innenstädten 2024 zwar in mehreren Monaten mehr Passanten als im Vorjahr, für die Händler wirkte sich das allerdings offensichtlich nicht spürbar positiv aus. Zwischen Januar und April lagen die Umsätze im deutschen Einzelhandel real, also preisbereinigt, nur 0,1 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Auch die Fußball-Europameisterschaft brachte nicht die erhoffte Trendwende.

Stationärer Handel verliert in allen Warengruppen

Der Handelsverband prognostiziert für den stationären Handel 2024 inflationsbereinigt lediglich ein Umsatz-Plus von einem Prozent. Die Einzelhändler blicken wenig optimistisch nach vorn. Wie aus einer kürzlich durchgeführten Branchenumfrage des HDE hervorgeht, erwartet jeder zweite Unternehmer schlechtere Umsätze als im Vorjahr, weniger als 30 Prozent glauben, dass die Geschäfte besser laufen. Zwei von drei sehen sinkende Kundenfrequenzen an ihren stationären Standorten. Besonders schlecht ist die Geschäftslage demnach im Bereich Möbel und Einrichtung, Schuhe, Haushalts- und Spielwaren.

"In allen Gebrauchsgüter-Branchen - Kleidung, Möbel, Elektronik und Freizeitprodukte - sehen wir einen weiteren Abfall der Käufe im stationären Handel und dagegen einen Anstieg der Onlinekäufe", sagt IFH-Direktor Werner Reinartz, Professor für Marketing an der Universität zu Köln. Diese Tendenz werde sich 2025 fortsetzen. E-Commerce-Experte Jochen Krisch gab Händlern in der Podcast-Reihe "Exchanges" kürzlich etwas polemisch den Ratschlag: "Verkauft das Stationäre, wenn ihr keine Online-Ideen habt, und investiert in Amazon -Aktien."

Dennoch wissen die Konsumenten grundsätzlich nach wie vor, welche Vorzüge ihnen stationäre Geschäfte bieten. Laut IFH schätzen sie vor allem, Produkte direkt mitnehmen, ausprobieren und anfassen zu können. Das sind die häufigsten Antworten von Kunden, auf die Frage nach den Gründen für den Kauf. Viele nennen auch die Sicherheit, hochwertige Produkte zu bekommen und nicht bei Fake Shops einzukaufen.

"Die Leute wollen den Stoff spüren, sie wollen wissen, ob das Kleidungsstück passt und nicht tausend Sachen hin- und herschicken", sagt der Geschäftsführer der Handelsberatung BBE, Johannes Berentzen. "Ich mache mir keine Sorgen um den stationären Handel. Die Händler haben es selbst in der Hand." Aus seiner Sicht haben die Klein- und Mittelstädte mit kurzen Wegen zu den Geschäften dabei einen weiteren Vorteil. "Gerade für die immer älter werdende Gesellschaft wird gute Erreichbarkeit zunehmend wichtig. Der ÖPNV in den Großstädten kann die oft weiten Wege nur zum Teil kompensieren."/cr/DP/jha