(Berichtigung: Forschungsgruppenleiter, 10. Absatz)

GRÜNHEIDE (dpa-AFX) - In der Fabrik des US-Elektroautoherstellers Tesla in Grünheide bei Berlin haben sich seit 2021 sieben schwere Arbeitsunfälle ereignet. In drei Fällen seien Tesla-Beschäftigte betroffen gewesen, in vier Fällen Beschäftigte von Bau- oder Montagefirmen der Großbaustelle, teilte das Brandenburger Sozialministerium am Donnerstag mit. Das Ministerium stufte die Zahlen nicht als ungewöhnlich ein.

Der "Stern" berichtete von auffallend vielen Arbeitsunfällen. So habe Tesla 190 meldepflichtige Unfälle zwischen Juni und November 2022 angegeben - das wäre praktisch täglich. Der Autobauer verwies auf engmaschige Kontrollen der Behörden. Seit der Eröffnung im März 2022 meldete Tesla außerdem 26 Umwelt-Havarien.

Arbeitsminister Heil ist nach eigenen Worten "tief besorgt"

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigte sich besorgt. "Arbeitsschutz schützt in Deutschland im Zweifelsfall auch Leben und deshalb bin ich tief besorgt über die Nachrichten, die da über ein großes Unternehmen in die Öffentlichkeit gekommen sind", sagte Heil RTL und n-tv. Er erwarte konsequente Länder-Kontrollen.

Der Bundestagsfraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, schlug eine unabhängige Prüfung vor. "Lassen sich die Bedingungen nicht zügig verbessern, sollte letztlich auch über einen Entzug der Betriebserlaubnis debattiert werden", sagte er dem "Stern". Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter verlangte einen Untersuchungsausschuss im Landtag.

Land: Keine Hinweise auf übermäßig viele Verstöße

Brandenburgs Sozialministerium hält die Zahl schwerer Unfälle im Vergleich der Arbeitsschutzkontrollen nicht für ungewöhnlich. "Gerade vor dem Hintergrund der Betriebsgröße - dem größten Industriestandort von Brandenburg - ist das für uns ein normales Geschehen", sagte Ministeriumssprecher Gabriel Hesse der Deutschen Presse-Agentur. "Wir haben keine Hinweise, dass hier übermäßig viele Arbeitsschutzverstöße vorfallen." Tesla werde regelmäßig kontrolliert. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte dem "Stern" auf die Frage nach den Unfällen, dies sei ihm nicht unbekannt, er verwies aber auf Tesla.

Die Gewerkschaft IG Metall sprach von Missständen. "Wir sind schon seit längerem besorgt über die Arbeitssicherheit bei Tesla in Grünheide", sagte der Bezirksleiter für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulz. Dem "Stern" sagte er: "Ich habe die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt."

Ein schwerer Arbeitsunfall liegt bei Verletzungen mit voraussichtlich mehr als sechs Wochen stationärer Behandlung oder bleibendem Körperschaden mit Anspruch auf Unfallrente vor. Meldepflichtig ist ein Arbeitsunfall, wenn Beschäftigte mehr als drei Tage arbeitsunfähig sind oder getötet werden.

Tesla: Kein Störfall unter den Havarien

Zu den 26 Umwelt-Havarien zählen ausgetretene Stoffe wie 15 000 Liter Lack, 13 Tonnen Aluminium sowie 50 und 150 Liter Diesel. Das geht aus Daten des Landesamts für Umwelt hervor, über die der "Stern" berichtete und die auch der dpa vorliegen. Bei den Vorfällen handelt es sich laut Behörde um Betriebsstörungen, nicht um Störfälle im Sinn der Störfallverordnung. Ein Teil des Geländes liegt im Wasserschutzgebiet.

Tesla räumte ein, dass es auf dem Fabrikgelände während der Bauarbeiten und seit der Inbetriebnahme mehrere Vorfälle gegeben habe. Bei keinem Vorfall habe es sich aber um einen Störfall nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gehandelt, bei keinem Vorfall sei es zu Umweltschäden gekommen, heißt es bei dem Unternehmen. Wenn nötig, seien Korrekturmaßnahmen umgesetzt worden.

Experte sieht grundsätzlich hohe Gefahr für Wasser

Der Forschungsgruppenleiter für Ökologie und Management von Flüssen und Seeufern am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Martin Pusch, sprach von einer grundsätzlich hohen Gefährdung mit Blick auf das Trinkwasser. "Es ist ein hohes Risiko der Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung aufgrund der geringen Rückhaltekapazität des Untergrunds", sagte Pusch der dpa.

Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) räumte auf Anfrage des "Stern" ein, dass Probleme auf dem Werksgelände aufgetaucht seien, sah aber keine Gefahr. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass das Grundwasser unter der Fabrik verseucht ist, sagte er laut "Stern": "Kann ich ausschließen. Die Überwachung funktioniert."

Tesla stellt seit März 2022 in Grünheide Elektroautos her. Umwelt- und Naturschützer sehen Gefahren. In der Fabrik arbeiten nach Angaben des Unternehmens rund 11 000 Mitarbeiter, die hochgerechnet etwa 250 000 Fahrzeuge im Jahr herstellen. Tesla will das Werk ausbauen./vr/DP/men