FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Inflation in der Eurozone und den USA dürfte die Kapitalmärkte nach Einschätzung von Experten des Bundesverbands Öffentlicher Banken (VÖB) weiter im Griff halten - und womöglich länger dauern als bisher gedacht. Dass die Notenbanker ihre Zügel lockern, ist demnach nicht zu erwarten. "Die gestiegenen Zinsen sind gekommen, um zu bleiben", sagte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater bei der Kapitalmarktprognose des VÖB in Frankfurt am Mittwoch. Das sei nötig, weil der Kern dieser Inflation härter sei, als aus den monatlichen Daten hervorgehe.

Auch in den USA werde die Inflation noch lange ein Problem bleiben, sagte Birgit Henseler, Analystin bei der DZ Bank. Die leicht nachlassenden Preise seien noch kein Zeichen der Entspannung. "Die Opec-Förderung und der Dienstleistungssektor treiben die Preise", sagte Henseler. Hinzu komme der heiß gelaufene Arbeitsmarkt. Ihren Gipfel dürfte die Teuerung laut der Expertin um die Jahreswende erreichen und bis 2024 nur allmählich abnehmen.

Für Deutschland und Europa stehen vor allem die Energiepreise im Fokus. Die Kerninflation steige zwar, trotzdem sei die Teuerung im Wesentlichen getrieben von knapper Energie. "Eine Lohn-Preis-Spirale erwarten wir für die Eurozone nicht", so Henseler. Vorsichtige Entwarnung gibt sie auch mit Blick auf die Gasspeicher in Deutschland - auch wenn eine Prognose hier extrem schwierig sei. In ihrem Hauptszenario gehe sie nicht von einer Mangellage aus. "Aber wenn wir einen sibirischen Winter haben, wird das Gas tatsächlich knapp", warnte die Expertin.

Weil der weltweite Markt für Energieträger über den Winter hinaus eng bleiben dürfte, erwartet Henseler auch mittelfristig hohe Energiepreise. Einige Unternehmen in energieintensiven Branchen werden das nicht schaffen, wie Henseler weiter warnte. Allerdings werde es nicht zu größeren Verwerfungen kommen.

Dass sich die Inflation als besonders hartnäckig erweisen wird, glaubt auch Ulrich Kater. "Die Inflation ist eine Kettenreaktion. Der erste Dominostein, die Energiepreise, mag bald wieder aufgestellt sein - aber das allein bringt noch nichts", so der Chefvolkswirt der Dekabank. Es könne etwa dazu kommen, dass die Inflationsrate 2024 zwar auf moderatem Niveau liege, die Kerninflation aber noch darüber.

Umso wichtiger sei ein entschlossenes Handeln der Notenbanken. "Das sind die Erfahrungen aus den 70er Jahren, in denen Geldpolitik bei jeder Rezession gleich gelockert wurde", sagte Kater. Das werde heute als Fehler angesehen. Um ihre Wirkung zu entfalten, bräuchten Zinserhöhungen drei bis vier Quartale Zeit.

Aber wie große wirtschaftliche Schäden nehmen die Währungshüter im Kampf gegen die Inflation in Kauf? Bei der US-Notenbank Fed habe sich in den vergangenen Monaten ein Paradigmenwechsel abgezeichnet, sagte Christian Lips, Chefvolkswirt der NordLB. "Bremsspuren in der Realwirtschaft werden nicht mehr als Kollateralschäden bezeichnet, sondern sind Mittel zum Zweck". Lips rechnet in den USA erneut mit einem "Jumbozinsschritt". Denn beim Straffungskurs der Fed sei das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht./jcf/jkr/he