ZÜRICH/BADEN-BADEN (dpa-AFX) - Erstversicherer wie Allianz und Axa sollen nach Ansicht des Rückversicherers Swiss Re in Europa künftig mehr Risiken auf die eigene Kappe nehmen. Viele Erstversicherer hätten ihren Selbstbehalt seit vielen Jahren nicht geändert, sagte der Chef des West- und Südeuropa-Geschäfts der Swiss Re, Nikhil da Victoria Lobo, am Mittwoch in einer Videokonferenz zum bevorstehenden Branchentreffen in Baden-Baden. Angesichts der hohen Inflation und der gestiegenen Risiken durch Naturkatastrophen müssten sie jetzt aber einen größeren Anteil der Risiken selbst übernehmen - sprich weniger Risiken an Rückversicherer abgeben. Zudem verlangten die gestiegenen Kosten etwa bei Gebäudeschäden nach deutlich höheren Rückversicherungsprämien.

Hintergrund sind immense Schäden durch Naturkatastrophen und andere Wetterereignisse in Europa. In den vergangenen anderthalb Jahren habe sich die Lage deutlich verändert, sagte der für Nord-, Zentral- und Osteuropa zuständige Swiss-Re-Manager Frank Reichelt. So hatte Tief "Bernd" im Juli 2021 vor allem im Westen Deutschlands eine verheerende Flutkatastrophe ausgelöst, die mehr als 180 Menschen in den Tod riss und die für die deutsche Versicherungsbranche die teuerste ihrer Geschichte wurde. Swiss-Re-Manager da Victoria Lobo verwies zudem auf milliardenschwere Schäden durch Stürme in Deutschland und Frankreich im laufenden Jahr.

Einige Rückversicherer hätten ihren Risikoappetit inzwischen zurückgefahren, sagte Reichelt. In einigen Bereichen stehe daher weniger Kapazität zur Verfügung. Die Swiss Re wolle ihr Geschäft bei der anstehenden Vertragserneuerung zum kommenden Jahreswechsel jedoch in allen Geschäftsbereichen ausbauen. Dabei will sie die Preise deutlich anheben. Laut da Victoria Lobo sehen die meisten Erstversicherer ein, dass die Prämien für Rückversicherungsschutz steigen müssen. Schwieriger werde es, sie davon zu überzeugen, dass sie einen größeren Teil der Risiken in den eigenen Büchern behalten sollen.

Nach ihrem weltweiten Branchentreffen in Monte Carlo im September kommen Erst- und Rückversicherer vom 23. bis 26. Oktober in Baden-Baden zusammen, um über die Erneuerung ihrer Verträge zum 1. Januar 2023 zu verhandeln. Dabei liegt der besondere Fokus auf dem europäischen Markt./stw/nas/men