KASSEL (dpa-AFX) - Wintershall-Dea-Chef Mario Mehren will im Zuge des Rückzugs aus Russland die Kosten im Konzern deutlich senken. "Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat enormen Einfluss auf die Energiemärkte und auf uns", sagte er in einem Gespräch der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX am Mittwoch. Mit dem Rückzug aus Russland habe das Unternehmen die Hälfte seiner Produktion und 60 Prozent seiner Reserven verloren. Die Produktionskosten seien hingegen um 35 Prozent gestiegen. Zudem lägen die Verwaltungskosten im Schnitt um 50 Prozent über denen der Wettbewerber.

Russland sei nicht der einzige Faktor. Seit dem Zusammenschluss von Wintershall und Dea 2019 hätten sich die Bedingungen verändert. Deshalb will die BASF-Mehrheitsbeteiligung ihre Verwaltungskosten senken sowie interne Arbeitsabläufe anpassen. So soll Wintershall Dea ab kommendem Jahr nur noch einen Hauptsitz haben, und zwar den in Kassel. Auch das obere und mittlere Management werde um rund 40 Prozent verringert, sagte Mehren. Zudem wird der Vorstand auf drei Mitglieder verkleinert. "So werden wir rund 200 Millionen Euro pro Jahr einsparen, etwa die Hälfte davon durch den Stellenabbau", sagte Mehren.

Insgesamt sollen weltweit 500 Stellen gestrichen werden, davon etwa 300 in Deutschland, wie Wintershall Dea bereits am Dienstagnachmittag mitgeteilt hatte. Zuletzt beschäftigte Wintershall Dea mehr als 2000 Mitarbeitende. Der Stellenabbau soll so sozialverträglich wie möglich gestaltet werden. Die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern würden jetzt starten, sagte Mehren. Für die Umstrukturierung rechnet Wintershall Dea im dritten Quartal mit einer Rückstellung in Höhe von 225 Millionen Euro.

Der Konzern will sich zudem von allen russischen Beteiligungen trennen. "Wir arbeiten an den Ausstiegsmöglichkeiten in Russland", sagte Mehren. Die russische Regierung baue aber immer wieder neue Hürden auf, die es ausländischen Unternehmen schwieriger mache, das Land zu verlassen.

Deshalb werde Wintershall Dea jetzt die rechtliche Trennung vollziehen. Alles, was nicht mit Russland zu tun habe, werde von den russischen Beteiligungen abgespalten.

Die Geschäfte ohne Russland vereine das Unternehmen in einer neuen Holding. Dazu zählten das internationale E & P Geschäft, die heimische Förderung in Deutschland, die Wasserstoffaktivitäten sowie das Carbonmanagement, also etwa die CO2-Einspeicherung im Boden. Bis Mitte 2024 soll die rechtliche Trennung des russischen Geschäfts abgeschlossen sein.

Zu einem möglichen Verkauf der Beteiligung an der Pipelinebetreiber-Holding Wiga wollte der Wintershall-Dea-Chef sich nicht äußern. "Wir sind mit dem Bund, als Miteigentümer, grundsätzlich immer in Gesprächen", sagte er. Im Moment werde sondiert, wie die zukünftige strategische Positionierung der Wiga aussehen könnte. Vor kurzem hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf mit der Sache vertraute Personen berichtet, dass das Unternehmen zusammen mit einem Berater nach einem Käufer für seinen Unternehmensanteil von 50 Prozent sucht. Die Wiga-Holding bündelt Betreiberfirmen, die ein über 4000 Kilometer langes Pipelinenetz über fünf Länder hinweg betreiben.

Zum Onshore-Pipeline-Geschäft sagte Mehren: Das Transportgeschäft stehe grundsätzlich auf dem Prüfstand. Das Transportgeschäft sei bislang ein wichtiger Bestandteil der Kooperation mit Russland gewesen. Es passe, seitdem Winterhall Dea sich in einem regulierten Umfeld bewege, von der Struktur und von der Renditeanforderung eigentlich nicht mehr zum Unternehmen. Es sei für Wintershall Dea keine strategische Beteiligung. Es könne aber eine werden, bei Überlegungen in Richtung Wasserstoff und neue Energien. "Deshalb sind wir derzeit bei einer strategischen Bewertung, die aber auf beiden Seiten offen ist", fügte er hinzu.

BASF hält gut 70 Prozent an Wintershall Dea. Der Rest gehört der Beteiligungsgesellschaft LetterOne./mne/ngu/mis