BERLIN (dpa-AFX) - Die Mangel an Neu- und Gebrauchtwagen in Europa bremst das Wachstum des Online-Händlers Auto1 . Am Mittwoch strich der Vorstand seine Absatzprognose für das laufende Jahr deshalb ein weiteres Mal zusammen. Finanziell sieht Vorstandschef und Mitgründer Christian Bertermann das Berliner Unternehmen aber auf Kurs. "Ich denke, wir haben auf dem Weg zur Gewinnschwelle beim operativen Ergebnis im dritten Quartal einen guten Schritt nach vorn gemacht", sagte der Manager im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Er hofft auf eine Normalisierung des Markts - mit mehr Autos und einem Rückgang der zuletzt stark gestiegenen Preise für Gebrauchte. Schnell werde dies jedoch nicht gehen.

An der Börse wurden die Neuigkeiten mit Kursverlusten quittiert. Nach einem kurzen Sprung ins Plus ging es für die Auto1-Aktie am Morgen zeitweise um mehr als sechs Prozent in den Keller. Am frühen Nachmittag gehörte das Papier einem Abschlag von fast dreieinhalb Prozent auf 7,015 Euro immer noch zu den schwächsten Titeln im Nebenwerte-Index SDax . Seit dem Jahreswechsel hat die Aktie fast zwei Drittel eingebüßt. Im Vergleich zum Ausgabepreis 38 Euro vom Börsengang im Februar 2021 beträgt der Verlust sogar mehr als 80 Prozent.

Auto1-Chef Bertermann zeigte sich mit dem Kurs "absolut nicht zufrieden, weil wir nicht finden, dass er die Ergebnisse und die künftigen Ertragserwartungen widerspiegelt". Seit dem Börsengang sei die Aktie von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung in Mitleidenschaft gezogen worden. Zudem verwies Bertermann auf finanzielle Probleme von Vergleichsunternehmen aus der Branche. "Diese haben wir nicht." Auto1 sei solide finanziert und baue ein solides Geschäft auf. Er sei "überzeugt, dass das entsprechend an der Börse honoriert werden wird".

Vorerst muss sich das Unternehmen aber damit abfinden, dass der Gebrauchtwagenmarkt in Europa in diesem Jahr um 17 Prozent eingebrochen ist - und in Deutschland sogar um 20 Prozent. Bertermann erklärte dies mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, aber auch mit hohen Gebrauchtwagenpreisen. "In dieser Lage warten viele Menschen einfach ab." So hätten sich gerade kleinere Gebrauchte zuletzt stark verteuert. "Für einen Opel Astra von 2013 mit 80 000 Kilometern muss man heute 60 bis 80 Prozent mehr zahlen als vor zwei Jahren", nannte Bertermann ein "Extrembeispiel".

Für das laufende Jahr peilt die Auto1-Führung jetzt nur noch 655 000 verkaufte Fahrzeuge an. Das entspricht dem unteren Ende der Zielspanne, deren obere Marke der Vorstand schon im August auf 725 000 Einheiten gekappt hatte. Den Löwenanteil von 590 000 Stück erwartet das Management aus dem Großhandel mit Partnerhändlern, das nach wie vor den Löwenanteil des Auto1-Geschäfts ausmacht. Weitere 65 000 verkaufte Fahrzeuge soll die Privatkundensparte Autohero bringen, die das Unternehmen seit seinem Börsengang stark ausbaut.

"Wir hatten die ursprüngliche Absatzprognose für 2022 kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs aufgestellt und klar gesagt, dass das obere Ende des Korridors nur erreicht werden kann, wenn wir einen Markt haben wie 2021", sagte Bertermann im Gespräch mit dpa-AFX. Stattdessen sei der Gebrauchtwagenmarkt stark eingebrochen. "Ich finde es daher ein starkes Zeichen, dass wir noch innerhalb des geplanten Korridors arbeiten können." Schließlich habe Auto1 sein Geschäft entgegen dem Markt ausgeweitet.

Bereits im Sommer hatte Auto1 wegen der gestiegenen Fahrzeugpreise seine Umsatzprognose angehoben. Jetzt soll der Erlös mit 6,5 bis 6,7 Milliarden Euro mindestens die Mitte dieser Prognose erreichen. Zudem soll der um Sonderposten bereinigte operative Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) weiterhin bei zwei bis drei Prozent des Umsatzes liegen. Das entspricht einem Minus zwischen 155 und 175 Millionen Euro. Im vierten Quartal 2023 will Auto1 bei dieser Kennzahl die Gewinnschwelle erreichen.

Im dritten Quartal fiel dieser operative Verlust mit 35,2 Millionen Euro zwar noch einmal 42 Prozent höher aus als ein Jahr zuvor. Im Vergleich zum ersten und zweiten Quartal des laufenden Jahres ging er jedoch merklich zurück. Bertermann erklärte die Entwicklung mit dem Ausbau des Autohero-Geschäfts mit dem Fokus auf Privatkunden, das vor einem Jahr noch deutlich kleiner war.

"Wir haben weiter investiert, vor allem in den Aufbau unserer Gebrauchtwagen-Produktion, aber auch in die Technologie zur automatischen Bepreisung von Fahrzeugen", sagte er. Derzeit baue Auto1 "die größten Werkstätten in Europa", um dort die erworbenen Gebrauchtwagen für den Wiederverkauf aufzubereiten.

Im dritten Quartal verkaufte Auto1 163 561 Fahrzeuge und damit lediglich 4,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Umsatz sprang jedoch um fast 36 Prozent auf gut 1,7 Milliarden Euro nach oben. Das Rohergebnis - der Verkaufserlös minus den Ankaufspreis - wuchs um gut sechs Prozent auf 123,4 Millionen Euro. Der operative Verlust (bereinigtes Ebitda) schwoll dennoch um gut 42 Prozent auf 35,2 Millionen Euro an. Unter dem Strich weitete sich der Fehlbetrag um 58 Prozent auf 55,1 Millionen Euro aus.

Für das kommende Jahr rechnet Bertermann damit, dass die Lage am Markt leicht verbessert. Autohero wolle jedenfalls auch 2023 weiter wachsen. Dies gelte sowohl für Autohero als auch für das Geschäft mit den Partnerhändlern./stw/mne/mis