WIESBADEN (dpa-AFX) - Explodierende Heizkosten und teure Lebensmittel: In vielen Haushalten sind gerade zum Jahresende zusätzliche Einnahmen hoch willkommen. Doch sind es vor allem Arbeitnehmer, die nach Tarifverträgen bezahlt werden, die sich weitgehend darauf verlassen können, im November oder Dezember ein sogenanntes Weihnachtsgeld zu erhalten. Im Schnitt werden an Tarifbeschäftigte 2747 Euro überwiesen, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch berichtete. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung um 2,6 Prozent und kann damit nicht mit der allgemeinen Teuerung mithalten.

Einen tariflichen Anspruch auf Sonderzahlungen zum Jahresende haben laut der Destatis-Auswertung 85,7 Prozent der Tarifbeschäftigten. Im Osten erhalten mit 88,5 Prozent anteilig etwas mehr Tarifbeschäftigte Weihnachtsgeld als im Westen mit 85,3 Prozent. Dafür fallen im Westen die Zahlungen durchschnittlich um 157 Euro höher aus.

Tarifverträge gelten allerdings längst nicht für alle Arbeitnehmer in Deutschland. 46 Prozent der westdeutschen und 55 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten arbeiteten 2021 in Betrieben, in denen es gar keinen Tarifvertrag gab, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Mai festgestellt. Es gibt aber eine große Zahl von Betrieben, die ihre Zahlungen an Tarifverträgen orientieren, ohne aber verbindlich daran gebunden zu sein.

Ohne Tarifvertrag sinke die Chance auf Weihnachtsgeld auf 42 Prozent, berichtet die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung unter Berufung auf Selbsteinschätzungen von rund 63 000 Menschen, die ihre Bezüge auf dem Portal "Lohnspiegel.de" eingetragen haben. Unter dem Strich erhält demnach gut die Hälfte (54 Prozent) der Beschäftigten in Deutschland Weihnachtsgeld. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser fordert in diesem Zusammenhang von der Regierung umfassende Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung.

Einen gesetzlichen Anspruch auf Weihnachtsgeld gibt es nicht, wie beispielsweise auch die Industrie- und Handelskammer München feststellt. Es kann in Einzelverträgen, Betriebsvereinbarungen oder eben Tarifverträgen vereinbart werden. Zahlt ein Arbeitgeber ohne Vorbehalt drei Jahre lang freiwillig Weihnachtsgeld an seine Mitarbeiter, entsteht eine sogenannte "betriebliche Übung", die auch für die kommenden Jahre Zahlungen in gleicher Höhe garantiert.

"Angesichts historisch hoher Inflationsraten ist für viele Beschäftigte das Weihnachtsgeld so wichtig wie nie zuvor", sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs bei der Böckler-Stiftung, Thorsten Schulten. "Es schafft zumindest kurzfristig einen Puffer, um auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten reagieren zu können."

Das Weihnachtsgeld und sein meist kleineres Pendant "Urlaubsgeld" sind in den unterschiedlichen Branchen historisch gewachsen und daher sehr unterschiedlich ausgeprägt. Was bereits in der Industrialisierung als willkürliche Weihnachtsgabe des Fabrikherren begann, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den Gewerkschaften zunehmend in Tarifverträgen festgezurrt, berichtet WSI-Experte Malte Lübker. "Deshalb haben heute die allermeisten Tarifbeschäftigten einen gesicherten Rechtsanspruch auf Weihnachtsgeld und sind nicht mehr vom Wohlwollen ihres Arbeitgebers abhängig."

Durchaus häufig ist ein 13. Monatsgehalt oder ein prozentualer Anteil davon, es gibt aber auch Festbeträge oder wie im Öffentlichen Dienst die Zusammenfassung mit dem Urlaubsgeld zu einer Jahressonderzahlung. Die höchsten Beträge von durchschnittlich 5263 Euro kassieren dabei Beschäftigte in der Energieversorgung, wie aus den von Bundesamt ausgewerteten Verträgen hervorgeht. In der Tabakverarbeitung (564 Euro) und der Leiharbeit (327 Euro) gibt es die geringsten Beträge./ceb/DP/men