MÜNCHEN (dpa-AFX) - Nach den Konkurrenten Lanxess , Clariant , Evonik und BASF hat es nun auch Wacker Chemie erwischt: Der Chemiekonzern muss nach einem schwachen zweiten Quartal deutliche Abstriche bei seinen Jahreszielen machen. Die Aktie gab am Mittwoch um gut zwei Prozent nach.

"Ausschlaggebend für unsere reduzierten Erwartungen sind die anhaltend schwache Nachfrage der Kunden in zahlreichen Anwenderbranchen, ein andauernder Lagerabbau auf Kundenseite sowie die im Jahresvergleich niedrigeren Preise für viele unserer Produkte", sagte Unternehmenschef Christian Hartel laut einer Mitteilung am Vortag. Die erhoffte Erholung der Nachfrage sei bislang nicht erkennbar. Stattdessen werde sich die Nachfrageschwäche im zweiten Halbjahr fortsetzen.

Für das Gesamtjahr rechnet der Vorstand beim Umsatz statt der bisher anvisierten 7 bis 7,5 Milliarden jetzt mit 6,5 bis 6,8 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll bei 0,8 bis 1 Milliarde Euro liegen. Zuvor hatte die Konzernführung 1,1 bis 1,4 Milliarden in Aussicht gestellt. Die neuen Werte lägen unter den durchschnittlichen Markterwartungen, teilte Wacker mit.

Für Analyst Markus Mayer von der Baader Bank kam der gesenkte Jahresausblick nicht überraschend. Seine Schätzung entspreche bereits dem Mittelwert der neuen Zielspanne für das operative Ergebnis (Ebitda), doch die Markterwartungen müssten nun um 19 Prozent sinken. Seine Gespräche mit vielen Investoren in den vergangenen Tagen hätten indes gezeigt, dass die inoffiziellen Erwartungen für das Betriebsergebnis in diesem Jahr schon unter einer Milliarde Euro gelegen hätten.

Im zweiten Quartal machte der Konzern auf Basis vorläufiger Berechnungen 1,75 Milliarden Euro Umsatz, nach fast 2,2 Milliarden ein Jahr zuvor. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sackte um fast 60 Prozent auf 255 Millionen Euro ab. Die endgültigen Ergebnisse sollen am 27. Juli veröffentlicht werden.

Die Chemiebranche leidet seit Herbst 2022 massiv unter einem Abbau von Lagerbeständen durch Kunden. Negativ hinzu kommt die verminderte Kauflaune der Konsumenten im tristeren Konjunkturumfeld, was Nachfrage und Preise belastet.

Das macht sich im Geschäft mit Silikonen bemerkbar - diese Kunststoffe werden vor allem in der Elektronikindustrie, bei Textilherstellern, Medizintechnikunternehmen und in der Baubranche eingesetzt. Die Bauindustrie als wichtiger Absatzmarkt für Wackers Polymere bekommt zudem die wegen hoher Zinsen verringerte Bauaktivität zu spüren. Bei den Polymeren handelt es sich um verschiedenste chemische Verbindungen; sie sind die Basis etwa für Klebstoffe, werden aber auch in Bodenbelägen, Farben und Beton beigemischt, um Eigenschaften zu verändern.

In Wackers Sparte Silicones brach das operative Ergebnis im zweiten Quartal ein und ging von 277 auf 50 Millionen Euro zurück. In der Sparte Polymers sank das Betriebsergebnis um 17 Prozent auf 75 Millionen Euro. Auch das Geschäft mit Polysilizium für Photovoltaik-Anlagen stand weiter unter Druck. Im Tagesgeschäft der Sparte schrumpfte der Gewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 28 Prozent auf 155 Millionen Euro.

Auch der Verband der chemischen Industrie VCI hatte sich zuletzt wenig optimistisch für die wirtschaftliche Entwicklung gezeigt. Die Produktion liege auf sehr niedrigem Niveau, der Branchenumsatz sei seit Monaten rückläufig, und der Auftragsmangel mache den Unternehmen zu schaffen, hieß es./mne/lew/tav/jha/