BONN (dpa-AFX) - Mit dem Urteil gegen den Architekten der Cum-Ex-Aktiengeschäfte, Hanno Berger, kommt die Aufarbeitung des größten Steuerskandals der Bundesrepublik einen weiteren Schritt voran. Seit 2020 gab es bereits mehrere Schuldsprüche gegen Akteure in dem Geschäftsmodell, das von 2006 bis 2011 seine Hochphase hatte und den Staat Milliardenbeträge kostete. An diesem Dienstag (13.30 Uhr) will das Bonner Landgericht seine Entscheidung verkünden (Aktenzeichen 62 KLs 2/20). Das mögliche Höchstmaß für die Vorwürfe der besonders schweren Steuerhinterziehung liegt bei 15 Jahren. Die Staatsanwaltschaft fordert eine neunjährige Freiheitsstrafe.

Gemeinsam mit einem früheren Kanzleipartner soll Berger rund 27 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen. Die Verteidigung hat Fehlverhalten ihres Mandanten eingeräumt. Der Zeitraum für die Fehler ist nach Darstellung des Anwalts aber deutlich kürzer als von der Anklage dargestellt. Die Ankläger gehen davon aus, dass die drei Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung insgesamt von 2006 bis 2011 andauerten, den Steuerschaden beziffern sie auf mehr als 270 Millionen Euro. Vor Mai 2009 handelte Berger aber nach Darstellung der Verteidigung ohne Vorsatz.

In dem ersten Fall geht es um Bergers Zusammenarbeit mit der Hamburger Privatbank M.M. Warburg, die in die Cum-Ex-Deals verstrickt war. Der Angeklagte habe dem Finanzinstitut das Geschäftsmodell "beigebracht", sagte Staatsanwalt Jan Schletz bei seinem Plädoyer.

Berger ist der bekannteste Protagonist des Geschäftsmodells, das der Bundesgerichtshof im Jahr 2021 als Straftat gewertet hat. Er beriet Banken, Fonds und Investoren bei der Konstruktion der Geschäfte und warb über sein Netzwerk um vermögende Kunden. Dafür kassierte er Millionen. Früher war er Beamter in der hessischen Steuerverwaltung, später wechselte er die Seiten und stellte den Finanzakteuren profunde Kenntnisse des Steuerrechts zur Verfügung.

Der 72-Jährige hat das Geschäftsmodell, bei dem Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") rund um den Dividendenstichtag verschoben wurden und gar nicht gezahlte Steuern erstattet wurden, zwar nicht erfunden. Er gilt aber als Wegbereiter, damit Cum-Ex in Deutschland im großen Stil betrieben werden konnte. "Hanno Berger war einer der zentralen Köpfe hinter den illegalen Cum-Ex-Geschäften", sagt Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende. Das Urteil gegen Berger werde wegweisend. "Er sorgte dafür, dass Cum-Ex unter vermögenden Privatanlegern groß wurde." Er habe als "eine Art Spindoctor" agiert.

Schick mahnte mehr Tempo bei der Aufarbeitung des Steuerskandals an. "Wir sind im Jahr 11 nach der Unterbindung solcher Geschäfte und trotz über 1500 Beschuldigter lassen sich die Angeklagten an wenigen Händen abzählen." Die Cum-Ex-Aufklärung sei über Jahre im Schneckentempo verlaufen, "weil viele das Thema lieber unter den Teppich gekehrt haben".

Ende 2012 hatte sich der Steuerexperte Berger in die Schweiz abgesetzt, wo er sich jahrelang der deutschen Justiz entziehen konnte. Erst im Februar 2022 wurde er an Deutschland ausgeliefert, seither sitzt er in Untersuchungshaft. Parallel zum Bonner Verfahren läuft vor dem Wiesbadener Landgericht noch ein anderer Strafprozess gegen ihn, wo ihm weitere Cum-Ex-Vergehen vorgeworfen werden./wdw/DP/zb