WASHINGTON (dpa-AFX) - Ex-Präsident Donald Trump ist nahezu zwei Jahre nach dem Angriff seiner Anhänger auf das US-Kapitol zur Aussage unter Eid von einem Untersuchungsausschuss vorgeladen worden. Es ist eine selten vorkommende Eskalation, die jedoch ein symbolischer Schritt bleiben könnte. Denn es gibt zwar ein Verfahren, um säumige Zeugen wegen Missachtung des Kongresses vor Gericht zu bringen. Doch dem Ausschuss läuft mit den anstehenden Parlamentswahlen die Zeit davon.
Das US-Parlamentsgebäude war am 6. Januar 2021 direkt nach einem Auftritt Trumps vor seinen Anhängern unweit vom Weißen Haus erstürmt worden. Der damalige US-Präsident wiegelte die Menge dabei abermals mit falschen Behauptungen auf, dass ihm der Sieg gegen Herausforderer Joe Biden durch Betrug gestohlen worden sei. Er rief die Anhänger auf, zum Protest vor das Kapitol zu ziehen, wo gerade der Wahlsieg Bidens offiziell besiegelt werden sollte. Fünf Menschen starben als Folge des Angriffs.
"Wir sind verpflichtet, Antworten direkt von dem Mann einzufordern, der das alles in Gang gesetzt hat", begründete die republikanische Abgeordnete Liz Cheney als Vize-Vorsitzende des Ausschusses die Vorladung. Sie machte keinen Hehl aus der Überzeugung, dass Trump die Verantwortung für die Attacke seiner Anhänger trage. "Er schickte sie zum Kapitol in dem Wissen, dass sie wütend sind, in dem Wissen, dass sie bewaffnet sind", betonte sie. Man müsse sicherstellen, dass nicht nur die "Fußsoldaten" bestraft würden, die das Parlamentsgebäude in Washington gestürmt hätten. "Mit jedem Versuch, das Verhalten des Ex-Präsidenten zu entschuldigen oder zu rechtfertigen, untergraben wir die Grundfeste unserer Republik."
Wenn Trump der Vorladung für eine Aussage unter Eid nicht folgt, könnte das Repräsentantenhaus ihn wegen Missachtung des Kongresses beim Justizministerium anzeigen. Trumps ehemaliger Berater Steve Bannon zum Beispiel wurde deswegen bereits verurteilt.
Allerdings wird die Zeit knapp. Am 8. November wird ein neues Repräsentantenhaus gewählt. Bis zum Jahresende - bevor im Januar das neugewählte Abgeordnetenhaus seine Arbeit aufnimmt - muss der Ausschuss seine Arbeit abgeschlossen haben. Und laut Umfragen und Analysen stehen die Chancen gut, dass die weitgehend zu Trump stehende Republikanische Partei bei der Wahl die Mehrheit im Repräsentantenhaus erreicht. Dann dürften weitere Untersuchungen zu der Attacke ohnehin vom Tisch sein. Im Untersuchungsausschuss waren zuletzt nur zwei republikanische Abgeordnete aktiv. Beide wurden von der Partei dafür scharf angegangen.
Trump kann zunächst auch seine Anwälte gegen die Vorladung vor Gericht schicken. Und selbst wenn Trump der Aufforderung folgen sollte, kann er die Aussage verweigern, zum Beispiel um sich nicht selbst zu belasten. Von diesem Recht hatten bei Befragungen durch den Ausschuss mehrere seiner Vertrauten Gebrauch gemacht.
In einer ersten Reaktion äußerte sich Trump nicht dazu, wie er vorgehen wolle, sondern attackierte die Untersuchung. Warum habe ihn der Ausschuss nicht schon vor Monaten um Aussage gebeten, sondern bis zum Schluss damit gewartet, fragte er in einem Beitrag in seinem hauseigenen Online-Netzwerk Truth Social. Zugleich wiederholte er seine von vielen Gerichten widerlegten Behauptungen über "massive Fälschungen" bei der Präsidentenwahl - "der Grund dafür, was am 6. Januar passierte".
Der TV-Sender Fox News berichtete unter Berufung auf Vertraute des Ex-Präsidenten, Trump gefalle die Idee ganz gut, vor dem Ausschuss auszusagen und dabei darüber zu sprechen, wie "korrupt" die Präsidentenwahl und die Untersuchungen zum 6. Januar gewesen seien.
Der frühere New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara kommentierte, dass die Vorladung vermutlich ein symbolischer Schritt bleiben werde. Zum einen verwies er im Sender CNN darauf, dass eine republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus den Ausschuss auflösen würde. Zum anderen dauere es Monate, eine Verurteilung wegen Missachtung des Kongresses zu erreichen. Und im Fall von Bannon etwa habe man damit immer noch keine Aussage vor dem Ausschuss erreichen können.
Der Jurist John Dean, der einst noch im Weißen Haus des über die Watergate-Affäre gestürzten Präsidenten Richard Nixon gearbeitet hatte, glaubt auch nicht, dass es zu einer Aussage Trumps kommen wird. Dessen übliche Vorgehensweise sei, alles zu verzögern - und daher sei klar gewesen, dass dafür ein früherer Vorstoß nötig gewesen wäre. "Deshalb denke ich nicht, dass sie ihn so sehr haben wollten." Die Vorladung sei aber ein angemessen Abschluss der Sitzung gewesen.
Am Donnerstag präsentierte neue Dokumente zeigten, dass der mit Trumps Sicherheit betraute Secret Service bereits Ende Dezember auf Angriffspläne unter den Anhängern hingewiesen wurde. Aus dem Ausschuss übergebenen internen Nachrichten geht zudem hervor, dass der Secret Service bei seiner Überwachung auch feststellte, dass viele der anwesenden Trump-Anhänger bei dem Auftritt bewaffnet gewesen seien. Nach Sonnenuntergang könne es "sportlich" werden, schrieb etwa ein Secret-Service-Mitarbeiter. Dennoch hätten das Weiße Haus und Trump nicht versucht, den Auftritt oder den Marsch auf das Kapitol zu stoppen, betonte der Ausschuss.
Es gab auch weitere Hinweise darauf, dass Trump aus dem Weißen Haus zu seinen Anhängern am Kapitol fahren wollte. Der Secret Service sei dagegen gewesen mit dem Argument, dass man die Sicherheit des US-Präsidenten nicht hätte garantieren können. Mehrere Vertraute sagten unter Verweis auf Gespräche mit Trump aus, er habe gewusst, dass er die Präsidentenwahl in Wirklichkeit verloren habe.
In den vergangenen Monaten hatte der Ausschuss bereits zum Teil erstaunliche Details zutage befördert. Zahlreiche Zeuginnen und Zeugen belasteten Trump dabei schwer. Nun waren unter anderem erstmals Aufnahmen zu sehen, in denen die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, während des Angriffs per Telefon versucht, Schutz durch die Nationalgarde oder Einheiten des Verteidigungsministeriums zu organisieren. Trump habe unterdessen - auch entgegen Aufforderungen von Vertrauten - stundenlang nichts unternommen, um seine Anhänger zu stoppen, betonten Mitglieder des Ausschusses. Dabei sei er über die Ereignisse informiert gewesen./so/DP/zb