DUISBURG (dpa-AFX) - Im Zuge der geplanten Neuaufstellung soll sich Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel (TKSE) von seiner Beteiligung an den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM) trennen. Der Vorsitzende des TKSE-Aufsichtsrats, Sigmar Gabriel (SPD), bezeichnete dies am Freitagabend als einen Kernbestandteil eines geplanten, aber noch nicht beschlossenen Restrukturierungsprogramms des Vorstands. Keine Einigung gab es auch über ein entsprechendes Finanzierungskonzept für das vor der Verselbständigung stehende Stahlgeschäft.

Dies belastete am Montag den Aktienkurs des Industriekonzerns. Das im MDax notierte Papier verlor gegen Mittag rund 0,9 Prozent. Ein Händler sprach mit Blick auf die Gespräche am Wochenende über die Perspektiven von Thyssenkrupp Steel von einem "fortwährenden Chaos" und einer nach wie vor fehlenden klaren Strategie. Die Hängepartie verhindere eine Erholung des Kurses.

Das vom Vorstand vorgestellte Programm, das auch einen Stellenabbau vorsieht, wurde am Freitag im TKSE-Aufsichtsrat beraten, aber noch nicht beschlossen. Hintergrund sind ausstehende Fragen der künftigen Finanzierung des Stahlunternehmens durch den Mutterkonzern Thyssenkrupp, der seine Stahlsparte auf den Weg in die Selbstständigkeit geschickt hat. Erster Schritt war in der vergangenen Woche der Einstieg des Energieunternehmens EP Corporate Group (EPCG) des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky mit 20 Prozent. Über die Übernahme von weiteren 30 Prozent wird gesprochen. Kretinsky nahm am Freitag zum ersten Mal als Mitglied an einer Sitzung des Aufsichtsgremiums teil.

Gabriel zufolge konnte im Aufsichtsrat von TKSE keine Einigkeit darüber erzielt werden, ob die vom Stahl-Vorstand vorgestellten Maßnahmen ausreichen, "um eine eigenständige und solide wirtschaftliche Zukunft sicherzustellen. Vor allem aber gibt es wie in vergangenen Jahren auch heute unterschiedliche Auffassungen über die Höhe der Finanzierungskosten und die Frage, wie die Finanzierungslücke geschlossen werden kann, die ganz wesentlich von der beabsichtigten Verselbständigung der TKSE bestimmt werden", so Gabriel.

Weil Ende September der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der TKSE und der Muttergesellschaft ausläuft, soll zunächst eine Finanzierungsvereinbarung die Geldströme regeln. Darüber soll in der nächsten Aufsichtsratssitzung von TKSE am 29. August beraten werden, wie es hieß. Für einen Fünfjahreszeitraum danach soll ein neutrales Gutachten Finanzierungsperspektiven erarbeiten. Auf der Grundlage dieses Gutachtens soll dann über das Restrukturierungsprogramm gesprochen werden. Es soll noch in diesem Jahr vorgelegt werden.

Thyssenkrupp-Konzernchef Miguel López meldete sich am Samstag mit einem eigenen Statement zu Wort. "Uns als Thyssenkrupp AG und verantwortlicher Eigentümerin geht es darum, dass der Vorstand von Steel Europe endlich einen langfristig tragfähigen, soliden und finanzierbaren Businessplan für die Neuausrichtung des Stahlbereichs vorlegt. Was wir jetzt brauchen, ist ein nüchterner, realistischer Blick in die Zukunft ohne Hoffnungswerte und ohne Schönfärberei." Das Gutachten solle dabei helfen.

Teil der Neuausrichtung soll eine Trennung von der Beteiligung an HKM sein. "Das vorrangige Ziel ist es dabei, die Unternehmensanteile an der HKM zu verkaufen und damit eine Beschäftigungssicherung zu erreichen", sagte Gabriel am Freitag. Sollte ein Verkauf nicht umsetzbar sein, arbeite man an einer einvernehmlichen Schließungslösung für die HKM mit den anderen Eigentümern. "Dann gilt die Absicherung der Beschäftigten durch das Versprechen, keine betriebsbedingten Kündigungen vorzunehmen", betonte der frühere Vizekanzler. TKSE spricht Gabriel zufolge bereits mit einer Beteiligungsgesellschaft über einen Verkauf. Gründlichkeit gehe dabei vor Schnelligkeit.

Thyssenkrupp Steel ist zu 50 Prozent an HKM beteiligt, der Stahlkonzern Salzgitter zu 30 Prozent und der französische Röhrenhersteller Vallourec zu 20 Prozent. Bei HKM arbeiten rund 3000 Menschen. TKSE will seine Stahlerzeugungskapazitäten in Duisburg verringern. HKM produziert jährlich rund zwei Millionen Tonnen Stahl für Thyssenkrupp.

Von Salzgitter hieß es am Montag dazu, dass sich das Unternehmen in einem "konstruktiven Dialog" mit Thyssenkrupp befände. Zunächst baut Salzgitter-Chef Gunnar Groebler auf den Verkauf. Für etwaige Szenarien bei einer möglichen Schließung sei es noch zu früh, sagte Groebler in einer Analystenkonferenz. Jedoch werde Salzgitter HKM dann nicht komplett übernehmen und selbst betreiben, betonte er.

Thyssenkrupp-Chef López hatte die geplante Neuaufstellung der Stahlsparte im Mai unter anderem mit zu geringer Nachfrage, hohen Energiekosten, Überkapazitäten und Billigimporten aus Asien begründet. "Mit der eingeleiteten Neuausrichtung wollen wir Thyssenkrupp Steel fit für die Zukunft machen und nicht das Gegenteil bewirken. Wäre der Stahlbereich profitabel aufgestellt, müssten wir jetzt nicht so intensiv über eine Restrukturierung und einen dafür notwendigen, soliden Businessplan diskutieren", ließ er am Samstag verlauten.

Die stark konjunkturabhängige Sparte steht seit Jahren im Fokus des Traditionskonzerns, dessen Wurzeln in der Stahlindustrie liegen. In der Sparte arbeiten rund 27.000 Menschen, davon 13.000 in Duisburg. Insgesamt beschäftigt Thyssenkrupp rund 100.000 Menschen./nas/tob/DP/niw/jha/