TOULOUSE (dpa-AFX) - Fehlende Teile von Zulieferern und knappe Arbeitskräfte machen dem weltgrößten Flugzeugbauer Airbus weiterhin zu schaffen. Zwar will Konzernchef Guillaume Faury in diesem Jahr nach wie vor rund 720 neue Passagierjets ausliefern. Ein Großteil davon dürfte aber erst ab September den Weg zu den Kunden finden, machte der Manager am Mittwochabend in einer Telefonkonferenz zu den Zahlen des ersten Quartals deutlich. An seinem Gewinnziel für 2023 hält Faury fest - auch wenn Airbus zum Jahresstart einen deutlichen Gewinnrückgang verbuchen musste. Doch an der Börse wurden die Nachrichten am Donnerstag negativ aufgenommen.

Zwar verdiente Airbus zum Jahresauftakt im Tagesgeschäft mehr als von Analysten erwartet und verbrannte weniger Barmittel als befürchtet. Doch die Airbus-Aktie verlor am Donnerstag in Frankfurt rund drei Prozent auf 120,48 Euro und gehörte damit zu den größten Verlierern im Dax .

Branchenexperte David Perry von der US-Bank JPMorgan traut der Aktie mittelfristig dennoch einen Anstieg auf 160 Euro zu. Wenn die Flugzeugauslieferungen zulegten, sollte auch der Kurs steigen, schrieb er am Mittwochabend in einer Studie.

Vorerst muss sich Airbus aber mit den Engpässen bei wichtigen Zulieferern herumschlagen. Schon vergangene Woche hatte Faury im Radiosender "France Inter" gesagt, die Engpässe könnten noch bis ins Jahr 2024 oder gar bis 2025 andauern.

So lieferte der europäische Flugzeughersteller im ersten Quartal mit 127 Verkehrsjets nicht nur 15 Maschinen weniger aus als ein Jahr zuvor. Er fiel sogar hinter seinen seit Jahren kriselnden Konkurrenten Boeing aus den USA zurück. Faury nahm die Entwicklung locker: "Wir wussten, dass wir einen langsamen Start ins Jahr haben würden."

So sank Airbus' Umsatz im ersten Jahresviertel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um zwei Prozent auf knapp 11,8 Milliarden Euro. Der um Sonderposten bereinigte operative Gewinn (bereinigtes Ebit) knickte sogar um 39 Prozent auf 773 Millionen Euro ein. Allerdings hatte ein Jahr zuvor ein positiver Effekt bei den Pensionsverpflichtungen dieses Ergebnis um rund 400 Millionen Euro nach oben getrieben. Weil sich zudem der Wechselkurs zwischen Euro und Dollar zwischenzeitlich deutlich verändert hat, sackte der Nettogewinn nun um 62 Prozent auf 466 Millionen Euro nach unten.

Dass Umsatz und Gewinn nicht noch stärker einbrachen, verdankte der Konzern seiner Hubschraubersparte. Airbus Helicopters steigerte den Umsatz dank gestiegener Auslieferungszahlen um mehr als ein Viertel, der operative Gewinn der Sparte sprang sogar um 73 Prozent nach oben. In der Rüstungs- und Raumfahrtsparte ging es hingegen abwärts. Die veränderte Sicherheitslage in Europa durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine wirkt sich bei den Aufträgen für die Sparte bisher kaum aus.

"Wir liefern eben keine Munition oder Raketen, daher profitieren wir nicht von den kurzfristigen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine", sagte Faury. Airbus hat etwa den Kampfjet Eurofighter und den Militärtransporter A400M in seiner Produktpalette.

Bei dem Konzern machen Passagierjets mit 70 Prozent des Umsatzes ohnehin den Löwenanteil des Geschäfts aus. Seit 2019 ist Airbus weltgrößter Flugzeughersteller vor dem US-Konzern Boeing, der seit dem Absturz zweier Mittelstreckenjets vom Typ 737 Max und einem langen Flugverbot für den Typ mit allerlei teuren Problemen zu kämpfen hat.

Airbus sitzt indes auf dicken Auftragsbüchern und kommt vor allem der immensen Nachfrage nach seinen Mittelstreckenjets aus der Modellfamilie A320neo kaum hinterher. Elektronikbauteile und andere Materialien sind wie auch in anderen Bereichen der Industrie knapp. Auch Triebwerkshersteller hingen bei den Lieferplänen immer wieder zurück.

Vor allem der angespannte Arbeitsmarkt in den USA bleibe ein Flaschenhals, sagte Faury am Mittwoch. So greifen Flugzeughersteller wie Airbus und Boeing, aber auch Triebwerkshersteller oft auf die gleichen Zulieferer zurück. Dies hatte vor wenigen Tagen auch der Chef des deutschen Triebwerksbauers MTU , Lars Wagner, gesagt: So gebe es weltweit nur zwei Unternehmen, die wichtige Strukturguss-Teile für die Luftfahrt produzierten.

Angesichts der Engpässe hatte Faury bereits im Februar seine ehrgeizigen Pläne zum Produktionsausbau ein Stück nach hinten verschoben: So soll die Rekordproduktion von monatlich 65 Jets der A320neo-Familie erst Ende 2024 erreicht werden. Und die ursprünglich für 2025 angepeilte Rate von 75 Maschinen der Reihe pro Monat hat der Vorstand seitdem erst für 2026 im Auge. Ab dem zweiten Quartal 2024 soll dazu auch die neue Langstreckenversion A321XLR beitragen, die derzeit noch in der Test- und Zulassungsphase steckt.

Etwas länger als gedacht braucht unterdessen die Entwicklung des neuen Frachtjets A350F: Die Indienststellung des ersten Exemplars verschiebt sich den neuen Plänen zufolge von 2025 ins Jahr 2026. Mit der Frachtversion des Passagierjets A350 will Airbus dem US-Hersteller Boeing künftig auch in diesem Segment Kunden abjagen. Bisher dominiert Boeing den Markt für Großraumfrachter fast komplett./stw/ngu/mis