MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Technologiekonzern Siemens kann seine Investoren pünktlich zur Hauptversammlung mit starken Zahlen zum Start des neuen Geschäftsjahres erfreuen. Das Unternehmen erhöhte nach überraschend guten Quartalszahlen seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr (per Ende September). Die Siemens-Aktie erklomm darauf am Donnerstag den höchsten Kurs seit 13 Monaten.

Im ersten Geschäftsquartal bis Ende Dezember glichen die Digitalisierungsgeschäfte des Konzerns die Schwächen in der Zugsparte sowie bei der Medizintechniktochter Siemens Healthineers mehr als aus. "Mit 2,7 Milliarden Euro Ergebnis im Industriellen Geschäft ist uns der bislang stärkste Start in ein neues Geschäftsjahr geglückt", kommentierte Konzernchef Roland Busch die Zahlen. Die Erhöhung der Prognose erfolgte dem Manager zufolge auch mit Blick auf den Rekordauftragsbestand von 102 Milliarden Euro.

Die Siemens-Aktie gewann bis zum späten Vormittag als stärkster Wert im Dax 8,6 Prozent auf 152,10 Euro. Damit befindet sie sich wieder auf dem Niveau, das sie im Januar 2022 hatte. Unisono lobten Analysten die Zahlen, auch wenn einige auf Schwachstellen im Zusammenhang mit dem schwächer ausgefallenen Barmittelfluss hinwiesen.

Der Umsatz soll 2022/23 auf vergleichbarer Basis - also ohne Effekte aus Zu- und Verkäufen sowie Währungsumrechnungen - jetzt um sieben bis zehn Prozent zulegen, wie das Unternehmen überraschend bereits am Mittwochabend mitgeteilt hatte. Die Spanne wurde damit an beiden Enden um je einen Prozentpunkt erhöht. Für die Sparten Digital Industries und Smart Infrastructure erhöhte Siemens die Erwartungen für Umsatzwachstum und Profitabilität.

Beim Gewinn je Aktie vor bestimmten Kaufpreiseffekten soll sich dies ebenfalls positiv auswirken. Siemens rechnet hier jetzt mit einer Bandbreite von 8,90 Euro bis 9,40 Euro. Die Latte liegt hier damit jetzt jeweils 20 Cent höher als bisher. Im vergangenen Geschäftsjahr war der Gewinn unter anderem wegen einer Wertberichtigung auf die Beteiligung an Siemens Energy sowie Belastungen im Zusammenhang mit der Aufgabe des Russlandgeschäfts um rund ein Drittel auf 5,47 Euro je Aktie eingebrochen. Analysten hatten sich in ihren Schätzungen vor der Zahlenveröffentlichung pessimistischer für 2022/23 gezeigt.

Im ersten Geschäftsquartal schnitt Siemens ebenfalls deutlich besser ab als erwartet. Dabei profitierte der Konzern von einer stärkeren Entwicklung im Geschäft mit intelligenter Infrastruktur als angenommen. Die Digitalisierungssparte konnte weiter mit einem starken Automatisierungsgeschäft punkten. Schwächen in der Zugsparte, die unter anhaltenden Lieferverzögerungen litt und bei Siemens Healthineers, bei denen die in der Vergangenheit hohe Nachfrage nach Corona-Schnelltests nun so gut wie wegfiel, konnte der Konzern dabei mehr als ausgleichen.

Siemens steigerte den Konzernumsatz um zehn Prozent auf knapp 18,1 Milliarden Euro. Das vergleichbare Wachstum lag bei acht Prozent. Das Ergebnis der Industriegeschäfte nahm um neun Prozent auf knapp 2,7 Milliarden Euro zu. Analysten hatten mit einem operativen Ergebnis in etwa auf Vorjahresniveau gerechnet. Nach Steuern sank der Gewinn hingegen auf rund 1,6 Milliarden Euro. Hier wirkte sich unter anderem ein höherer Verlust bei Siemens Energy negativ aus. Zudem hatte Siemens im Vorjahresquartal von einem Sondergewinn profitiert.

Kleiner Wermutstropfen war der um sieben Prozent auf 22,6 Milliarden Euro gesunkene Auftragseingang. Allerdings hatte Siemens im vergangenen Jahr stark von vorgezogenen Bestellungen vor allem in der Digitalisierungssparte sowie Großaufträgen bei Siemens Mobility profitiert. Analysten hatten hier ebenfalls mit weniger gerechnet.

Zwar läuft es geschäftlich derzeit rund, doch Investoren bemängeln weiterhin die Aktienkursentwicklung und den Bewertungsabschlag, den die anhaltende Konglomeratsstruktur bei Siemens hervorbringt.

Fonds wie Union Investment und DWS forderten daher auf der Hauptversammlung, dass sich Siemens auf seine digitalen Geschäfte konzentriert und sich etwa von der Beteiligung an Siemens Energy sowie von Siemens Healthineers trennt. "Siemens muss weg von der Konglomeratsstruktur, weniger ist mehr! Portfoliomanager kaufen sich die Healthineers schon selbst, wenn sie sie brauchen", sagte etwa Vera Diehl, Portfoliomanagerin bei Union Investment laut Redetext.

Bei Energy hat der Konzern seit längerem angekündigt, sich sukzessive zurückzuziehen. Dies werde jedoch mit "Augenmaß" geschehen, bekräftigte Finanzvorstand Ralf Thomas in einer Telefonkonferenz. Bisher hält Siemens noch rund 35 Prozent der Anteile./nas/stw/stk