BONN (dpa-AFX) - Ein Jahr nach Einführung eines Preisminderungsrechts bei schlechtem Internet belegen Probemessungen weiterhin in Tausenden Fällen eine viel zu schlechte Leistung des Anbieters. Von Mitte Dezember 2021 bis Ende Oktober 2022 beendeten Verbraucherinnen und Verbraucher circa 28 000 Probemessungen, die für den Rechtsanspruch nötig sind, wie die Bundesnetzagentur auf Anfrage mitteilte. Dabei sei fast ausschließlich ein Minderungsanspruch festgestellt worden. Allerdings ist die Zahl dieser Messungen im Vergleich zur Anfangszeit des Rechtsanspruchs deutlich gesunken, gut die Hälfte besagter Messungen (15 000) erfolgte schon in den ersten zweieinhalb Monaten.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, äußert sich positiv über den Rechtsanspruch. "Das Mess-Tool hat sich nach einem Jahr gut etabliert", sagt der ehemalige Verbraucherschützer. "Wir helfen Tausenden Verbraucherinnen und Verbrauchern, ihrem Provider eine Minderleistung nachzuweisen."

Das Minderungsrecht bezieht sich auf Festnetz-Internet. Ist das Netz daheim erheblich schlechter als vertraglich vereinbart, steht den Haushalten eine Reduzierung der Monatszahlung zu. Das dafür notwendige Messinstrument breitbandmessung.de, das im Browser oder als Desktop-App anwendbar ist, startete am 13. Dezember 2021.

Seither wurde die App 100 000 Mal runtergeladen und installiert. Viele Verbraucher begannen nach dem Download die zeitlich recht aufwendigen Messungen, führten sie aber nicht zu Ende. Vorgeschrieben sind 30 Tests an drei Tagen, wobei es unterschiedlich große Zeitabstände zwischen den Tests geben muss. Nur wer das durchhält, bekommt am Ende ein Protokoll. Um wie viel Verbraucher ihre Monatsrechnung reduzieren können, enthält das Protokoll nicht - das müssen die Verbraucher mit ihrem Provider klären. Stellt sich der Anbieter stur, könnten Verbraucher vor das Amtsgericht ziehen. Dort hätten sie gute Karten.

Verbraucherschützer monieren, dass die Messungen zu aufwendig und nicht nutzerfreundlich seien. Nach ihrer Schätzung ist die Dunkelziffer an Haushalten, die schlechteres Internet haben als vertraglich vereinbart, hoch.

Die Gründe für die zuletzt gesunkene Zahl der Messungen sind unklar. Internet-Anbieter werten die Entwicklung als einen Beleg dafür, dass ihre Leistung besser geworden ist. Zudem verweisen sie darauf, dass die Zahl der Messungen mit erwiesenermaßen defizitärem Internet im Verhältnis zu den 38 Millionen Breitbandanschlüssen in Deutschland sehr gering ist. "Die insgesamt sehr geringen Beschwerdezahlen belegen unseres Erachtens deutlich, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer sich mit ihren Internetanschlüssen gut versorgt fühlt", sagt Jürgen Grützner vom Internet-Branchenverband VATM (Verband der Anbieter von Telekommunitations- und Mehrwertdiensten).

Grützner betont, dass die Anbieter bei berechtigten Beschwerden ihrer Kundinnen und Kunden kulant reagierten und "die Anliegen im Kundenservice zu lösen sind, ohne dass das förmliche Verfahren über die Bundesnetzagentur bemüht werden muss".

Auch Vodafone meldet sich zu Wort. "Nur sehr wenige Festnetzkunden haben bisher eine Minderung beantragt, die wir in berechtigten Fällen selbstverständlich gewährt haben", sagt ein Firmensprecher. "Die Anzahl der Anträge sinkt im Übrigen stetig und Klagen laufen in diesem Zusammenhang keine."

Die Telekom wird etwas konkreter. "Die Anzahl der Beschwerden liegt auf einem geringen Niveau bei einer niedrigen dreistelligen Zahl pro Woche", sagt eine Sprecherin des Bonner Konzerns. "Wir kümmern uns um jeden Fall und suchen stets nach kulanten Lösungen im Sinne unserer Kundinnen und Kunden. Natürlich gewähren wir auch die gesetzlich vorgesehenen Minderungen." Klagen gebe es bisher keine.

Verbraucherschützer äußern hingegen Kritik an den Anbietern. Nach ihren Erkenntnissen lehnten die Firmen eine Minderung "in der Regel ab oder reagieren nicht, obwohl die nötigen Unterlagen vorgelegt wurden", heißt es in einer Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv). "Wenn Minderungen stattgegeben wird, werden häufig Minderungsbeträge angeboten, die den Betroffenen zu gering erscheinen." Internetanbieter nutzten unterschiedliche Kriterien, um die Minderungshöhe zu berechnen. Für Verbraucherinnen und Verbraucher werde teilweise "auch auf Nachfrage nicht nachvollziehbar dargelegt, wie der Minderungsbetrag zustande kommt".

"Aus Sicht des vzbv müssen verbindliche Leitlinien erarbeitet werden, die den Berechnungen der Minderung durch die Internetanbieter zugrunde liegen", so vzbv-Digitalreferentin Susanne Blohm. "Die Bundesnetzagentur scheint als zuständige Aufsichtsbehörde geeignet, einen Diskussionsprozess innerhalb der Branche zu initiieren und entsprechende Vorgaben zu machen."

Die Verbraucherzentralen bieten im Internet einen Minderungsrechner an, mit dem die Internetnutzer die genaue Höhe der Minderung erfahren können, die ihnen nach Angaben der Verbraucherschützer zusteht. Nach der Einführung dieser Webseite gab es im Juni 16 000 Zugriffe, seit September liegt der Wert bei rund 2000 pro Monat./wdw/DP/mis