WALLDORF (dpa-AFX) - Europas größter Softwarehersteller SAP setzt sich nach einem überraschend guten Quartal höhere Ziele für das Gesamtjahr. Sowohl beim Umsatz als auch beim operativen Gewinn nimmt sich Vorstandschef Christian Klein trotz angespannter Wirtschaftslage mehr vor. Beim laufenden Großumbau des Personals kommt SAP bei den geplanten Neueinstellungen nicht so schnell voran als gedacht. Weil SAP gleichzeitig Tausende Stellen abbaut, kam das dem Ergebnis zugute. Wie auch das vergleichsweise lukrative Softwarelizenzgeschäft, das weniger stark schrumpfte als kalkuliert. Am Dienstag reichte dies für einen Kurssprung und ein Rekordhoch bei der Aktie: Kurz nach Handelsbeginn legte der Kurs um 5,4 Prozent zu.

Wie der Softwarehersteller weiter nach US-Börsenschluss mitteilte, kletterte der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern im dritten Quartal im Jahresvergleich um 27 Prozent auf 2,24 Milliarden Euro. Das war spürbar mehr als von Analysten zuvor erwartet. SAP nimmt sich 2024 nun ein währungsbereinigtes Plus von 20 bis 23 Prozent bei der viel beachteten Kennziffer vor. Bisher standen 17 bis 21 Prozent im Plan.

Auch beim gesamten Produktumsatz nehmen sich die Walldorfer mehr vor. Dieser soll währungsbereinigt um 10 bis 11 Prozent wachsen, statt um 8 bis 10 Prozent. Ausschlaggebend ist auch hier das Lizenzgeschäft, das sich robuster zeigt als gedacht. Klein legt den Fokus eigentlich voll auf die Cloudsoftware, die über mehrere Jahre gesehen mit den laufenden Abogebühren Vorteile bei der Kundenbindung und damit auch bei Umsatz und Gewinn bringen soll.

Bei der Cloudsoftware selbst bleibt es bei den bisherigen Zielen. Der Umsatz mit Cloudangeboten zog im dritten Quartal um ein Viertel an, auch die vorliegenden Buchungen für die kommenden zwölf Monate stiegen weiter spürbar. Insgesamt kletterte der Konzernumsatz um 9 Prozent auf 8,47 Milliarden Euro, der Nettogewinn lag mit 1,44 Milliarden Euro 13 Prozent höher als ein Jahr zuvor.

Finanzchef Dominik Asam machte in einer Telefonkonferenz deutlich, dass der Konzern im vierten Quartal bei den Neueinstellungen etwas aufs Gaspedal treten und damit aufholen möchte. Das Anfang des Jahres angekündigte und im Sommer noch einmal verschärfte Umbauprogramm sieht vor, dass bis zu 10.000 bisher bestehende Stellen im Konzern wegfallen. Viele Mitarbeiter können sich auf neue Positionen im Konzern bewerben, aber ein großer Teil verlässt den Konzern auch. Durch Neueinstellungen und den jüngsten milliardenschweren Zukauf des israelischen Softwarespezialisten WalkMe dürfte am Ende des Jahres die Mitarbeiterzahl aber sogar etwas zunehmen.

Ab dem kommenden Jahr will SAP die Kosten durch das Programm spürbar senken, derzeit wird mit um die 700 Millionen Euro Entlastung gerechnet. Für unter anderem Abfindungen hat SAP bereits 2,8 Milliarden an Kosten in diesem Jahr verbucht, bis Ende des Jahres dürften es rund 3 Milliarden werden.

SAP-Chef Klein hat nach dem Abgang von Vertriebschef Scott Russell derzeit auch dessen Aufgaben in seinem Bereich und will die Ansprache der Kunden auf das veränderte Wirtschaftsumfeld trimmen. Dafür nimmt SAP auch mittelgroße Kunden stärker ins Visier und will vor allem bei bestehenden und neuen Kunden seinen Fußabdruck in möglichst allen Bereichen vergrößern, indem die gesamte Produktpalette angeboten wird. Auch im Vertriebsbereich gebe es zu viele Rollen in der Hierarchie, sagte Klein zudem und stellte damit weitere Sparbemühungen in Aussicht.

Finanzchef Asam rechnet durch das Abschneiden im vergangenen Quartal auch mit mehr Rückenwind beim freien Finanzmittelzufluss (Free Cashflow). Hier geht er auf Jahressicht nun von 3,5 bis 4,0 Milliarden Euro aus, bisher waren nur rund 3,5 Milliarden veranschlagt. Asam verwies auf das vierte Quartal als das traditionell stärkste bei dem Softwarekonzern. Das Schlussviertel entscheide darüber, ob man die eigenen Prognosen schaffe und auch darüber, wie gut die mittelfristigen Finanzziele des kommenden Jahres erreichbar seien.

Seit dem Jahreswechsel hat sich die Aktie um gut 50 Prozent verteuert. An der Börse ist das Dax -Schwergewicht damit rund 273 Milliarden Euro schwer. Was Anleger eigentlich erfreuen dürfte, beschäftigt sie aber zugleich: SAP hat damit die sogenannte Kappungsgrenze für das maximale Gewicht jedes einzelnen Unternehmens im Index erreicht. So darf ein Dax-Unternehmen nach dem Regelwerk nur 15 Prozent des Wertes aller Index-Mitglieder ausmachen.

Mit Blick auf die Grenze könnte ein Kursanstieg durch zwangsläufige Verkäufe von Fonds wieder zunichtegemacht werden, mahnte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Broker RoboMarkets.

Ein ähnliches Schicksal hatte vor gut anderthalb Jahren der Industriegase-Hersteller Linde erlitten, als die Kappungsgrenze im Dax noch bei 10 Prozent gelegen hatte. Linde hatte diese erreicht und sich dafür entschieden, die doppelte Börsennotierung in New York und Frankfurt zulasten von Frankfurt aufzugeben. Sie habe einen negativen Einfluss auf die Bewertung der Aktie, hieß es damals./men/ngu/mne/jha/