MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der insolvente Reisekonzern FTI sitzt auf einem Schuldenberg von einer Milliarde Euro und wird jetzt abgewickelt. Das Amtsgericht München hat das Insolvenzverfahren über die beiden Kerngesellschaften FTI Touristik und BigXtra Touristik eröffnet. Insolvenzverwalter Axel Bierbach kündigt nun 700 Mitarbeitern. Die meisten der schätzungsweise 350.000 Gläubiger sind Pauschalreisende, die ihre Vorauszahlungen vom Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF) zurückbekommen sollen.

Anders sieht es laut Bierbach für rund 2.500 Hotels, für Reisebüros, Fluggesellschaften, Banken und für den staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aus. Der WSF gehört dem Bund und hatte Europas drittgrößtem Reisekonzern FTI während der Corona-Pandemie rund 600 Millionen Euro geliehen. Wieviel Geld die Gläubiger eines Tages bekommen werden, ist völlig offen.

FTI hatte im Juni Insolvenz angemeldet, nachdem Kunden und Reisebüros bei Buchungen immer vorsichtiger geworden waren, Vertragspartner auf Vorkasse bestanden und dem Unternehmen das Geld ausging. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags waren bei FTI Touristik rund 30 Millionen Euro auf den Konten, wie Bierbach sagt. Weil FTI kein Geld mehr für die obligatorischen Sicherungsscheine beim DRSF hatte, "war klar: Wir können keine Reisen mehr verkaufen."

Hotelbetrieb läuft weiter

Rund 60.000 Urlauber, die zu dieser Zeit mit FTI unterwegs waren, sind ohne größere Probleme zurückgekommen, alle neuen Abreisen wurden gestoppt. Von den weltweit 11.000 FTI-Mitarbeitern sind heute noch 7.500 in Hotels vor Ort beschäftigt, deren Geschäftsbetrieb uneingeschränkt weiterläuft.

Von den mehr als 1.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Deutschland haben mehr als 320 bereits eine neue Stelle - auch dank Bewerbertagen mit FTI-Kunden und Konkurrenten wie Tui , DER, der DB oder Jochen Schweizer in der FTI-Zentrale in München. Knapp 600 Mitarbeiter erhalten ihre Kündigung mit Wirkung zum 1. September. Weitere 130 bleiben noch kurz beschäftigt, um bei der Abwicklung zu helfen. Zum Jahresende soll der Betrieb endgültig stillgelegt werden.

Mehrere Tochterfirmen verkauft

Das Vermögen der FTI-Gruppe besteht laut Bierbach vor allem aus 54 Hotels mit 12.000 Zimmern, die FTI gehören oder langfristig geleast hat. All diese Häuser laufen, bis auf eine Ausnahme, weiter und sollen verkauft werden. Es gebe einige Interessenten, die Verhandlungen seien zum Teil schon fortgeschritten, sagt der Insolvenzverwalter.

Von den 110 FTI-Tochterunternehmen wurden einige Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern bereits verkauft, darunter der Luxusreisenanbieter Windrose, das Service-Center Erf24 in Erfurt und das Online-Portal 5vorFlug.

Am 20. November findet die erste Gläubigerversammlung in München statt. "Ich glaube, da werden nicht viele kommen", sagt Bierbach: Die meisten der 350.000 Gläubiger hätten gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht so hohe Forderungen, dass sich die Anreise lohne.

Abwicklung dauert Jahre

"Die gesamte Abwicklung wird Jahre dauern", sagt Bierbach. "Das ist ein Marathon."

Rund 175.000 Reisende hatten ihre Reise bereits ganz oder teilweise bezahlt. So kurz vor den Sommerferien scheiterte der Versuch, sie auf andere Veranstalter umzubuchen. Das Geld für die Pauschalreise bekommen sie vom DRSF - das betrifft 90 Prozent der Urlauber. Manche Pauschalurlauber hatten aber zum Beispiel einen Ausflug dazugebucht. Das dafür bezahlte Geld ersetzt der DRSF nicht; die Forderung kann aber beim Insolvenzverwalter angemeldet werden.

Für Pauschalurlauber Reisesicherungsfonds erste Adresse

Auch Kunden, die Einzelleistungen bei FTI gebucht haben, können ihre Forderung zur Insolvenztabelle anmelden. Der Insolvenzverwalter appelliert aber an die Kunden, zunächst die Erstattungswege über den DRSF und Zahlungsdienstleister zu nutzen und nicht mehrere Anträge gleichzeitig zu stellen, um das Verfahren nicht zu blockieren.

Reisebüros erhalten ihre Provision in der Regel erst nach Abflug der Kunden. Wie das ist, wenn der Abflug gar nicht stattfand und womöglich gar kein Schaden entstand, weil das Reisebüro den Urlaubern stattdessen eine andere Reise verkaufte, müsse auch geprüft werden, sagt Bierbach./rol/DP/mis