BERLIN (dpa-AFX) - Bund und Länder stehen nach einem erfolglosen Treffen unter Druck, an diesem Mittwoch Ergebnisse zur Finanzierung der geplanten milliardenschweren Entlastungsmaßnahmen zu liefern. "Die Menschen wollen endlich wissen, welche Entlastungen es in den kommenden Wintermonaten geben wird", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vor dem neuen Termin mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der "Welt". "Eine weitere Verzögerung, ein weiteres Verschieben von Entscheidungen wäre absolut inakzeptabel."
Beim vorigen Treffen gingen die Regierungschefs aus Bund und Ländern Anfang Oktober ohne Einigung auseinander. Dabei ging es nicht nur um die geplante Gaspreisbremse, sondern auch um die Nachfolge des 9-Euro-Tickets, die Aufnahme von Flüchtlingen, das Wohngeld und die Finanzierung von Krankenhäusern. Die Länder kritisierten den Bund, weil er Entlastungen beschlossen habe, ohne mit ihnen zu reden - obwohl sie Milliarden beisteuern sollten. Sie verlangen Zusagen zu Flüchtlingsfinanzierung und Geld für den Nahverkehr, um im Haushalt genügend Luft für ihren Anteil am Entlastungspaket zu haben.
Was sich seitdem getan hat
Die Bundesregierung hat Ideen vorgelegt, wie Gas- und Strompreis gedrückt werden sollen. Der Bundestag hat dazu bereits Schulden von 200 Milliarden Euro genehmigt. Die Länder hatten zuvor kritisiert, keiner wisse, wofür genau das Geld genutzt werden solle. Außerdem präsentierte die Bundesregierung Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung und den Steuereinnahmen. Ergebnis: Die Wirtschaft steuert in eine Rezession, 2024 soll es aber wieder aufwärts gehen. Die Steuereinnahmen fallen wohl höher aus als gedacht, sind laut Finanzminister Christian Lindner (FDP) aber schon weitgehend verplant. Die Länder werden laut Schätzung kommendes Jahr allerdings eine Milliarde weniger einnehmen als noch im Frühjahr gedacht.
Pläne für Gaspreisbremse
Bürger und Unternehmen sollen in zwei Schritten von den hohen Energiekosten entlastet werden: Zum einen übernimmt der Staat mit einer Einmalzahlung den Dezember-Abschlag. Eine Kommission im Auftrag der Bundesregierung hat zudem eine Preisbremse vorgeschlagen: Zum 1. Januar soll der Gaspreis für große Industriekunden gedeckelt werden, zum 1. März für Privatleute. Für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs könnte der Preis dann auf 12 Cent pro Kilowattstunde gedrückt werden. Wer mehr verbraucht, müsste mehr zahlen. Den Ländern ist der März-Termin allerdings viel zu spät. Sie fordern günstiges Gas für Privathaushalte ebenfalls zum 1. Januar.
Andere Entlastungen bei den Heizkosten
Bei einer Ministerpräsidentenkonferenz in Hannover vor knapp zwei Wochen forderten einige auch Entlastungen für Verbraucher, die mit Öl oder Holzpellets heizen. Hier könne man aufgrund der Vielzahl der Anbieter keine staatliche Kostenbremse konstruieren, sagte Günther. "Aber eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf diese Brennstoffe halte ich angesichts der Preisentwicklung für notwendig."
Nachfolgelösung für 9-Euro-Ticket
Seit Monaten besteht Einigkeit, dass es nach Ende des beliebten 9-Euro-Tickets ein bundesweites Folgemodell geben soll. Die Verkehrsminister von Bund und Ländern haben sich im Grunde auch schon auf einen Preis von 49 Euro geeinigt. Angepeilt wird ein Start am 1. Januar. Problem: das Geld. Zahlreiche Bundesländer fordern mehr Zuschüsse vom Bund für den Nahverkehr.
Die Länder sind prinzipiell dazu bereit, das neue deutschlandweit gültige Ticket zusammen mit dem Bund zu finanzieren - beide Seiten müssten wohl rund 1,5 Milliarden bereitstellen. Die Länder machen aber zur Bedingung, dass der Bund wegen der hohen Energiepreise auch dauerhaft mehr Geld für Busse und Bahnen gibt. Sonst müssten womöglich Angebote gekürzt werden.
Kosten für Flüchtlingsunterbringung
Hunderttausende Menschen sind vor dem Krieg aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Außerdem kommen wieder mehr Flüchtlinge über die Balkan-Route. Die Länder verlangen, dass der Bund sie stärker unterstützt. Sie wollen, dass sich der Bund wieder an den Kosten für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende beteiligt, so wie vergangenes Jahr. Das betrifft nicht ausschließlich Geflüchtete, allerdings gehören zu den Beziehern dieser Leistungen auch viele Menschen aus der Ukraine. Mehr finanzielle Hilfe wünscht man sich außerdem für die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bei einem Flüchtlingsgipfel mit Vertretern von Ländern und Kommunen Mitte Oktober finanzielle Fragen ausgeklammert und auf die Ministerpräsidentenkonferenz verwiesen. Sie bot den Ländern jedoch weitere Gebäude des Bundes für die Unterbringung von Flüchtlingen an. Lindner zeigte sich überzeugt, eine Lösung zu finden.
Finanzierung des Wohngelds
Strittig ist weiterhin, wie die von der Bundesregierung geplante, deutliche Ausweitung des Wohngelds finanziert werden soll. Im Januar soll der staatliche Mietzuschuss um durchschnittlich 190 Euro pro Monat steigen - außerdem soll er an 1,4 Millionen Bürger mehr gezahlt werden. Bisher wird das Wohngeld je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert, doch die Länder wollen nicht länger mitmachen.
Streit ums Bürgergeld
Das Bürgergeld als Nachfolger von Hartz IV war eigentlich schon lange vor den Entlastungspaketen geplant - wird von der Ampel-Koalition teils jedoch im gleichen Atemzug genannt. Es könnte deshalb bei der Ministerpräsidentenkonferenz zur Sprache kommen, weil die unionsgeführten Länder die Einführung im Bundesrat zu blockieren drohen. Der Streit könnte eine Verständigung in anderen Punkten verhindern./tam/DP/stw