MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die Erholung der Luftfahrt von der Corona-Krise beflügelt den Münchner Triebwerkshersteller MTU
Kurz nach Handelsbeginn sackte ihr Kurs um fast vier Prozent in den Keller. Zuletzt war sie am Vormittag mit einem Kursabschlag von knapp zwei Prozent auf 223,10 Euro immer noch größter Verlierer im Dax
In den vergangenen Monaten hatte die MTU-Aktie stark zugelegt. Seit einem Tiefstand Ende September ist ihr Kurs um rund 50 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Jahreswechsel beläuft sich der Zuwachs auf rund zehn Prozent. Das Rekordhoch von 289,30 Euro aus der Zeit kurz vor der Corona-Pandemie ist aber noch ein gutes Stück entfernt.
Im abgelaufenen Jahr steigerte MTU den Umsatz um 27 Prozent auf gut 5,3 Milliarden Euro. Damit erreichte der Konzern zwar den höchsten Erlös seit seinem Bestehen, verfehlte aber seine eigene Zielvorgabe, die er im Herbst auf 5,4 bis 5,5 Milliarden Euro erhöht hatte.
Wegen Verzögerungen in den Lieferketten hätten sowohl in der Triebwerksproduktion als auch im Wartungsgeschäft zuletzt weniger Triebwerke die MTU-Hallen verlassen als geplant, erklärte der neue Vorstandschef Lars Wagner, der die Konzernführung Anfang 2023 vom langjährigen MTU-Chef Reiner Winkler übernommen hat. So müssten Triebwerke oft länger in der Werkstatt bleiben, weil notwendige Teile erst mit Verspätung einträfen.
Trotz dieser Probleme steigerte der Dax-Konzern seinen bereinigten operativen Gewinn (bereinigtes Ebit) um 40 Prozent auf 655 Millionen Euro - noch stärker als geplant und stärker als von Branchenexperten erwartet. Damit blieben 12,3 Prozent des Umsatzes als bereinigter operativer Gewinn übrig, 1,1 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Analysten hatten nur einen Anstieg auf 11,7 Prozent erwartet.
Der Überschuss legte sogar um 44 Prozent auf 333 Millionen Euro zu. Auch wenn MTU beim Gewinn noch nicht das Vorkrisen-Niveau erreicht hat, sollen die Anteilseigner mit einer Dividende von 3,20 Euro je Aktie so viel bekommen wie nie zuvor und mehr als von Analysten geschätzt. Angesichts seiner geringen Verschuldung müsse der Konzern ab 2024 auch über einen Aktienrückkauf nachdenken, sagte Finanzvorstand Kameritsch.
Mit Blick auf das laufende Jahr musste sich die MTU-Spitze jedoch von ihrem erst im November ausgegebenen Plan verabschieden, den Umsatz auf 6,4 bis 6,6 Milliarden Euro zu steigern. Jetzt sollen es nur noch 6,1 bis 6,3 Milliarden werden. Der Vorstand erklärte dies mit dem veränderten Wechselkurs zwischen Dollar und Euro. "Das hat eine unheimliche Durchschlagskraft", sagte Kameritsch.
So hatte der Dollar im vergangenen Jahr zunächst stark an Wert gewonnen, dann aber wieder deutlich verloren. Flugzeuge und ihre Teile werden weltweit in Dollar gehandelt - MTU bilanziert jedoch in Euro. Noch im Herbst hatte die Konzernführung ihre Umsatzprognose für 2022 mit Blick auf den Dollarkurs angehoben und auch für 2023 die Latte ziemlich hoch gelegt. Zu hoch, wie sich jetzt herausstellte.
Für den operativen Gewinn habe der Dollarkurs deutlich geringere Folgen, erläuterte Kameritsch. Denn der Konzern habe sich mit Finanzgeschäften gegen solche Schwankungen abgesichert. Auch deshalb rechnet der Vorstand für 2023 mit einer bereinigten operativen Marge auf dem hohen Niveau von 2022.
Bei dem nun angepeilten Umsatz von 6,1 bis 6,2 Milliarden käme dann ein bereinigter operativer Gewinn von 750 bis 775 Millionen Euro heraus. Die Ambition sei, den bisherigen Rekordwert von 757 Millionen aus dem Jahr 2019 zu übertreffen, sagte Kameritsch. Dies hatte der Vorstand eigentlich erst für 2024 anvisiert.
MTU baut gemeinsam mit anderen Triebwerksherstellern wie General Electric
Dass der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus im vergangenen Jahr nicht so viele Jets ausliefern konnte wie geplant, lag Wagner zufolge nicht an MTU. Das Unternehmen habe im vergangenen Jahr letztlich alle vorgesehenen Triebwerke geliefert - trotz einiger Schwankungen über die Monate hinweg. Für den Getriebefan betreibt MTU in München auch eine eigene Endfertigungslinie und montiert damit rund ein Drittel aller Triebwerke dieses Typs weltweit.
An Aufträgen mangelt es dem Hersteller nicht. Der Auftragsbestand lag Ende 2022 bei 22,3 Milliarden Euro und damit geringfügig höher als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Beschäftigten stieg indes um sieben Prozent auf 11 273. Im laufenden Jahr werde MTU allein in München 600 bis 700 Mitarbeiter einstellen, sagte Wagner.
Neue Ingenieure braucht der Hersteller nicht nur für die Entwicklung eines neuen Triebwerks für die nächste Generation von Mittelstreckenjets, sondern auch für das künftige europäische Luftkampfsystem FCAS, an dessen Antrieb er mitarbeitet. Aus dieser Entwicklung erhofft sich Wagner auch neue Erkenntnisse für künftige Triebwerkstypen für die zivile Luftfahrt - etwa bei Verbundwerkstoffen. Auch dank FCAS rechnet der Vorstand im laufenden Jahr mit einem Anstieg des Militärumsatzes um zehn Prozent. Das ist etwa doppelt so viel wie im Herbst in Aussicht gestellt./stw/mne/stk