BERLIN (dpa-AFX) - Bürgerinnen und Bürger sollen neue Möglichkeiten bekommen, privat und staatlich gefördert fürs Alter vorzusorgen. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission legte am Montag Vorschläge für eine grundlegende Reform der privaten Altersvorsorge vor. Der Kern: Die Riester-Rente soll weg - allerdings mit Bestandsschutz für bisherige Verträge.
Empfohlen würden nicht nur Verbesserungen des bestehenden Riester-Systems, sondern grundlegend neue Lösungen, sagte Finanz-Staatssekretär Florian Toncar in Berlin. Ziel des Vorstoßes ist es, mehr Rendite zu ermöglichen und so wieder mehr Menschen dazu zu bringen, staatlich gefördert Geld für später zurückzulegen.
Probleme mit dem Riester-System
Denn die bisherige Riester-Rente ist kein Erfolgsmodell. Eigentlich sollte die staatlich geförderte lebenslange private Rente Bürgern Sicherheit bringen, deren gesetzliche Rente perspektivisch nicht ausreichen wird. Sie wird mit staatlichen Zulagen und Steuervorteilen gefördert. Außerdem sind Anbieter verpflichtet, eingezahlte Beiträge zu 100 Prozent zu garantieren, so dass man kein Risiko eingeht. Doch deswegen sind die Renditechancen auch enorm eingeschränkt. Zugleich fallen hohe Abschluss- und Verwaltungskosten an, die an Versicherungen und Finanzinstitute gehen. Viele haben sich daher bereits entschieden, nicht weiter in ihre Riester-Verträge einzuzahlen.
16 Millionen Riester-Verträge - doch kaum neue
Nach Zahlen der deutschen Versicherungswirtschaft gibt es derzeit rund 16 Millionen Riester-Verträge. Rund zehn Millionen davon sparen über einen klassischen Versicherungsvertrag - Banksparpläne und Investmentfondsverträge sind weniger verbreitet. Zuletzt wurden jedoch immer weniger Riester-Verträge abgeschlossen. In der Bundesregierung sorgt man sich daher, dass die Menschen nicht ausreichend fürs Alter vorsorgen. Im Koalitionsvertrag verabredeten SPD, Grüne und FDP daher, eine Reform zu prüfen.
Vorschlag: Risiko mit mehr Rendite belohnen
Die Arbeitsgruppe schlägt nun mehrere Produkte vor, mit denen die Vorsorger je nach eigener Risikobereitschaft auch mehr Rendite herausholen können. So könnten auch Altersvorsorgen mit geringeren Garantien und dafür höheren Renditemöglichkeiten angeboten werden. Eine große Rolle soll ein Altersvorsorgedepot spielen, bei dem das Geld zum Beispiel in börsengehandelten Indexfonds (ETFs) angelegt wird. Um die staatliche Förderung zu kassieren, müsste das Depot bis zum Erreichen des Rentenalters bestehen bleiben.
Auch bei Versicherungsmodellen soll mehr Risiko zugelassen werden - dadurch, dass nicht mehr 100 Prozent, sondern weniger der eingezahlten Beiträge garantiert werden. So könnten die Versicherer die Beiträge gewinnbringender am Kapitalmarkt anlegen. Zudem sollen Anbieterwechsel einfacher werden. Konkurrierende Produkte sollen über eine Internetseite zu vergleichen sein.
Bestehende Riester-Verträge könnten geändert werden
Bestehende Riester-Verträge sollen erst einmal gültig bleiben - anders wäre es rechtlich gar nicht möglich. Wenn aber alle Vertragspartner einverstanden sind, sollen sie auch angepasst werden können, so dass sie zu den neuen Produkten konkurrenzfähig sind.
Was bleiben soll
Beibehalten will die Expertengruppe aus Politikern, Wissenschaftlern, Sozialpartnern und Verbraucherschützern die Art und Weise der staatlichen Förderung: Es soll weiter Zulagen, besondere Zuschüsse für junge Menschen und Menschen mit geringem Einkommen sowie die Möglichkeit des steuerlichen Sonderausgabenabzugs geben. Unklar ist noch, ob die Grenze von 2100 Euro dafür angehoben wird. Bleiben soll auch das Prinzip, dass in der Investitionsphase keine Steuern anfallen, dafür aber dann bei Auszahlung - wenn der Steuersatz wegen des geringeren Einkommens im Rentenalter wahrscheinlich niedriger ist.
Empfehlungen nicht einstimmig getroffen
Nicht alle Empfehlungen werden von sämtlichen Mitgliedern der Expertenkommission mitgetragen. Teils habe es Mehrheitsentscheidungen und zu bestimmten Punkten auch kritische Sondervoten gegeben, sagte Toncar.
So zeigte sich der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) enttäuscht, weil ein öffentlich verwalteter Altersvorsorgefonds mehrheitlich abgelehnt wurde. In einen solchen Fonds würde man automatisch einzahlen, wenn man ihn nicht aktiv abwählt. Die Gruppe habe "keine Kraft" für einen solchen Vorschlag gehabt, kritisierte vzbv-Chefin Ramona Pop. Dabei sei ein öffentlich verantworteter Vorsorgefonds mit breit gestreuten, langfristigen Anlagen privaten Angeboten klar überlegen. Aus Sicht der Verbraucherschützer ist auch eine verminderte Beitragsgarantie bei Versicherungsprodukten untragbar.
Wie es mit dem Vorschlag weitergeht
Das Finanzministerium plädiert für eine schnelle politische Verständigung auf Basis des Expertenvorschlags. Nächster Schritt wäre, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Dieser müsste dann von den anderen Ressorts geprüft und vom Kabinett verabschiedet werden, bevor er in den Bundestag kommen kann. "Ich wünsche mir, dass wir im Jahr 2024 das Gesetzgebungsverfahren durchführen und abschließen können", sagte Toncar./tam/DP/stw