BERLIN (dpa-AFX) - Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger sollen nach einem neuen Vorstoß von FDP-Chef Christian Lindner künftig ihre Wohnkosten pauschal und nicht nach tatsächlichen Kosten erstattet bekommen. "Dann können die Leistungsempfänger entscheiden, ob sie eine kleinere Wohnung beziehen und wie sie heizen", sagte der Bundesfinanzminister der "Wirtschaftswoche". "Ich glaube, dass wir hier Milliarden Euro einsparen können."

Derzeit übernehmen die Kommunen in bestimmten Grenzen die Kosten für Kaltmiete und Heizung sowie die Betriebskosten von Bürgergeld-Beziehenden und ihren Familien; dabei unterstützt sie der Bund.

Staat zahlt bei 2,7 Millionen Familien Unterkunft

Von den 2,94 Millionen Bedarfsgemeinschaften, also in der Regel zusammenwohnende Familien, werden derzeit bei 2,73 Millionen Kosten der Unterkunft anerkannt - Kostenpunkt: 1,77 Milliarden Euro. Dazu kommen einmalige Kosten in Höhe von 43 Millionen Euro.

Pro Bedarfsgemeinschaft werden im Schnitt 649,96 Euro bezahlt, pro Quadratmeter im Schnitt 11,82 Euro, pro Person einer Bedarfsgemeinschaft 362,69 Euro. Die Statistik weist auch die Betriebs- und Heizkosten extra aus. Bei 2,68 Millionen Bedarfsgemeinschaften handelt es sich um Mietkosten, bei 46.000 um Wohneigentum. Die Durchschnittswohnfläche der Familien liegt bei 62 Quadratmetern. Pro Person sind es im Schnitt 35 Quadratmeter.

Was übernimmt der Staat?

Der Staat übernimmt bei Bürgergeld-Beziehenden die sogenannten tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, soweit sie angemessen sind. Auch Schönheitsreparaturen, Kabelgebühren oder beispielsweise ein vereinbartes Nutzungsentgelt etwa für Küchenmöbel werden übernommen, soweit diese unausweichlich im Mietvertrag vereinbart sind. Weitere Nebenkosten, zum Beispiel für einen Pkw-Stellplatz, werden nicht übernommen. Bei selbstgenutztem Wohneigentum werden Aufwendungen wie Schuldzinsen oder Grundsteuern übernommen.

Wie eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg erläuterte, sind die BA sowie Kreise und Städte für Bürgergeld-Leistungen verantwortlich, bei Unterkunft und Heizung die Kommunen. Sie regeln, was lokal angemessen ist. Die Jobcenter setzen das um. Die Mieten unterscheiden sich innerhalb Deutschlands erheblich.

Lindner will bei Ukrainern sparen

Einsparmöglichkeiten sieht Lindner auch bei den Leistungen für Flüchtlinge aus der Ukraine. "Wir sollten für die aus der Ukraine Geflüchteten einen eigenen Rechtsstatus erwägen", schlug er vor. Dieser solle die Leistungen für Asylbewerber mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten kombinieren, die für Bürgergeld-Empfänger gedacht sind.

"Ukrainer müssen wegen des Krieges in ihrer Heimat nicht eigens ein Asylbewerberverfahren durchlaufen", erläuterte Lindner. "Sie sollten aber auf der anderen Seite nicht gleich ein Bürgergeld erhalten, das auf ein sozioökonomisches Existenzminimum mit gesellschaftlicher Teilhabe auch ohne Arbeit ausgerichtet ist."

Ukrainern wird Asylverfahren erspart

Tatsächlich erhalten ukrainische Kriegsflüchtlinge grundsätzlich EU-weit Schutz unter der "Massenzustrom-Richtlinie", wie der Mediendienst Integration erläutert. Die EU-Richtline wurde erstmals Anfang März 2022 aktiviert. Bis März 2026 ist sie, Stand heute, verlängert. "Der Vorteil der europaweiten Regelung: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine (...) bekommen automatisch einen Aufenthaltsstatus", so der Mediendienst.

Flüchtlinge aus der Ukraine erhalten in Deutschland Bürgergeld. Alleinstehende zum Beispiel 563 Euro pro Monat. Die Regelsätze sollen 2025 aufgrund einer Nullrunde unverändert bleiben. Hinzu kommen Hilfen für Miete und Heizung sowie Krankenversorgung. Das Arbeitsministerium betont, die Beträge sicherten das Existenzminimum in Deutschland.

Rund eine halbe Million erwerbsfähige Ukrainer

Asylbewerberinnen und Asylbewerber, über deren Asylanträge noch nicht entschieden wurde, bekommen weniger: 460 Euro pro Monat nach Asylbewerberleistungsgesetz. Beratung durch das Jobcenter bekommen sie noch nicht.

Im Mai 2024 waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit rund 529.000 Ukrainerinnen und Ukrainer als "erwerbsfähig" bei den Jobcentern gemeldet - und Bürgergeld-berechtigt. Viele sind noch in Jobcenter-Maßnahmen, Integrationskursen oder in kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit, zum Beispiel Alleinerziehende mit Kindern ohne Kitaplatz. Zwei Drittel davon sind Frauen.

4.000 arbeitslose Ukrainer weniger

Nicht jeder, der Bürgergeld bekommt, könne auch einen Job annehmen, stellt der Mediendienst fest. Etwas mehr als ein Drittel der erwerbsfähigen Ukrainerinnen und Ukrainer habe im Mai 2024 für den Arbeitsmarkt zur Verfügung (37 Prozent) gestanden - etwa 4.000 weniger als noch im April.

Insgesamt ist die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer mit Bürgergeld in den vergangenen Jahren deutlich auf zuletzt 2,7 Millionen gestiegen - das sind rund 48 Prozent aller Empfänger. Hauptgrund für den Anstieg ist die Flüchtlingsbewegung nach Russlands Einmarsch in der Ukraine.

Zuletzt hatte BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht deswegen gesagt, der deutsche Sozialstaat werde bedroht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wertet (DGB) es hingegen als Erfolg, dass immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer in Jobs vermittelt werden.

Experten verteidigen "nachhaltige Strategie"

Seit Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 haben rund 1,2 Millionen Menschen von dort in Deutschland Schutz gefunden. Bei den Ukrainerinnen und Ukrainern liegt der Anteil der Bürgergeld-Beziehenden an der Bevölkerungsgruppe insgesamt bei derzeit knapp 65 Prozent - im Vergleich zu anderen Nationalitäten ein hoher Wert. Experten etwa des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) verteidigen dennoch die "nachhaltige Strategie", die Menschen eher mit deutscher Sprache und Qualifizierung in den Arbeitsmarkt zu bringen als so schnell wie möglich.

Beim Bürgergeld könnten die Jobcenter Menschen arbeitsmarktpolitisch betreuen, erläutert etwa der IAB-Forschungsleiter Enzo Weber. Laut IAB gehen im laufenden Jahr pro Monat doppelt so viele Ukrainerinnen und Ukrainern aus der Arbeitslosigkeit in Jobs wie im Vorjahr. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte kürzlich den von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gestarteten "Job-Motor" für Flüchtlinge in Deutschland als Erfolg gewertet: 266.000 Flüchtlinge aus der Ukraine seien derzeit mit Job in Deutschland.

Insgesamt beziehen rund ein Fünftel der etwa vier Millionen arbeitsfähigen Bürgergeld-Beziehenden ein eigenes Arbeitseinkommen. Ihr Gehalt ist so niedrig, dass sie es mit Staatshilfe aufstocken müssen./bw/DP/mis