ISTANBUL (dpa-AFX) - Die Türkei macht den Weg zu einer Nato-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands weiterhin nicht frei. Er hoffe auf größere Fortschritte bei einem nächsten schwedisch-finnisch-türkischen Treffen Ende November in Stockholm, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag nach einer ersten Zusammenkunft mit dem neuen schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson in Ankara. Schweden wolle für seine eigene Sicherheit in die Nato - da sei es nur richtig, wenn es alles tue, um der Türkei bei ihrer Sicherheit zu helfen.

Kristersson beteuerte, dass sein Land ein Ende Juni geschlossenes Memorandum vollständig erfüllen werde, auch hinsichtlich des Kampfes gegen Terrorismus. "Schweden wird allen Verpflichtungen nachkommen, die es gegenüber der Türkei eingegangen ist, um der terroristischen Bedrohung entgegenzutreten - sowohl vor seiner Mitgliedschaft in der Nato als auch als zukünftiger Verbündeter", sagte er auf einer Pressekonferenz an Erdogans Seite.

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatten Schweden und Finnland Mitte Mai die Aufnahme in die Nato beantragt. Bislang sind die beiden nördlichsten Staaten der EU enge Partner der Verteidigungsallianz, nicht aber vollwertige Mitglieder, die im Falle eines Angriffs mit Nato-Hilfe rechnen könnten. Für die Zeit des Beitrittsprozesses sind den beiden Ländern jedoch von mehreren Seiten Sicherheitsgarantien gemacht worden.

Generell haben die beiden Länder reichlich Rückenwind aus der Nato erhalten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warb mehrmals für die Norderweiterung, 28 der 30 Mitglieder ratifizierten die schwedischen und finnischen Anträge bereits. Nur die Türkei und Ungarn fehlen noch. Im Norden Europas rechnet man damit, dass Ungarn im Dezember mit der Ratifizierung so weit sein wird und dies an keine Bedingungen knüpfen dürfte.

Mit der Türkei bleibt es dagegen weiterhin schwierig. Es geht ihr um Waffenexporte und vor allem um angebliche schwedische und finnische Unterstützung der syrischen Kurdenmiliz YPG, die die Türkei als Ablegerin der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als "Terrororganisation" ansieht. Die EU, zu der Schweden und Finnland gehören, betrachtet die PKK ebenfalls als Terrororganisation - nicht jedoch die YPG und deren politischen Arm PYD.

Kristersson betonte, dass Schweden die PKK als Terrororganisation ansehe. "Schweden versteht, dass die Türkei in einem langen und blutigen Kampf gegen den PKK-Terrorismus verwickelt gewesen ist", sagte er. "Wir wissen, dass die Türkei einer der Nato-Verbündeten ist, die am stärksten von Terrorismus betroffen gewesen sind."

Solche Botschaften reichen der Türkei noch nicht aus. Es gebe zwar positive Entwicklungen, es seien aber noch viele Schritte zu unternehmen, sagte der türkische Parlamentspräsident Mustafa Sentop der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge am Dienstag nach einem eigenen Treffen mit Kristersson. So habe es etwa keine Fortschritte bei den Auslieferungsersuchen gegeben.

Ende Juni schien der Streit mit einer Vereinbarung zwischen den drei Ländern auf dem Nato-Gipfel in Madrid beigelegt. Die Türkei moniert jedoch weiterhin, damals getroffene Absprachen seien vor allem von Schweden noch nicht erfüllt worden, darunter die Auslieferung von mehr als 70 Menschen. Beobachter vermuten hinter der türkischen Blockade auch andere Absichten wie etwa Zugeständnisse aus den USA mit Blick auf Kampfjet-Lieferungen. Umfragen zufolge stieg zudem die Zustimmung Erdogans in der Bevölkerung nach der angekündigten Nato-Blockade - und im Juni 2023 soll in der Türkei gewählt werden.

Schweden hatte sich zuletzt deutlich auf Ankara zubewegt, erstmals seit 2019 wieder den Export von Kriegsmaterial an das Nato-Mitglied bewilligt und sich von YPG und PYD distanziert. Am Montagabend teilte die schwedische Regierung zudem mit, einen freiwilligen Nato-Beitragsfonds zur Bekämpfung von Terrorismus mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 920 000 Euro) unterstützen zu wollen. Zweck sei, die Rolle der Nato im internationalen Anti-Terror-Kampf zu stärken, erklärte das Verteidigungsministerium in Stockholm./apo/DP/ngu