WEEZE (dpa-AFX) - Fast eineinhalb Jahre nach Beginn des Ukraine-Krieges investiert erstmals ein deutsches Rüstungsunternehmen in eine neue Fabrik, um dort einen Auftrag aus dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen der Bundeswehr abzuarbeiten. Rheinmetall ist Partner des US-Konzerns Lockheed Martin, der zusammen mit dem ebenfalls amerikanischen Unternehmen Northrop Grumman den Tarnkappenbomber F-35 fertigt. In Weeze am Niederrhein (NRW) entsteht eine Montagelinie, mit der Rheinmetall ab 2025 sogenannte Rumpfmittelteile für mindestens 400 Tarnkappenbomber fertigen will, 35 davon für Deutschland. Deren Auslieferung soll 2026 beginnen.

"Die Beteiligung von Rheinmetall an dem prestigeträchtigen Projekt ist eine gute Nachricht für Deutschland", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), Hans Christoph Atzpodien. Er gibt allerdings zu bedenken, dass der deutsche Wertschöpfungsanteil an dem Milliardenvorhaben trotzdem eher gering ist.

Deutschland zahlt 8,3 Milliarden Euro für 35 dieser Tarnkappenbomber, die zum Transport von Atombomben zertifiziert und somit Teil der sogenannten nuklearen Teilhabe sind. Wie viel Rheinmetall bekommt, ist nicht bekannt - es dürfte nur ein eher kleiner Teil sein. "Es wäre wünschenswert gewesen, wenn mehr deutsche Firmen bei dem Auftrag zum Zuge kommen würden und zum Beispiel bei der Wartung und anderen Dienstleistungen hinzugezogen werden."

Der Flugzeugbauer Airbus hatte ebenfalls mit dem Auftrag für die Rumpfmittelteile geliebäugelt, dann aber Abstand davon genommen. "Die Entscheidung gegen die Kooperation mit den Amerikanern für den Bau von F-35-Rumpfmittelteilen hat Airbus aus wirtschaftlichen Gründen getroffen", sagte ein Airbus-Sprecher. "Für uns hat sich daraus nach Prüfung der Fakten und Zahlen kein "Business Case" ergeben."

Die F-35 gilt als modernstes Kampfflugzeug der Welt und wird auch für das nukleare Abschreckungskonzept der Nato gekauft, bei dem Verbündete Zugriff auf US-Atombomben haben. Der in die Jahre gekommene Tornado wird abgelöst. Wegen seiner Form und Außenbeschichtung ist die Maschine für gegnerisches Radar nur schwer zu entdecken. 2026 soll Deutschland die ersten F-35 bekommen, mit ihnen werden deutsche Piloten zunächst in den USA trainieren. Ab 2027 sollen die Maschinen dann am Fliegerhorst Büchel in der Eifel stationiert werden.

Aus Sicht von Klaus-Heiner Röhl vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist es durchaus bemerkenswert, dass der Auftrag für das Bauteil an Rheinmetall ging. "Es sollen Rumpfmitteilteile für 400 F-35 hergestellt werden, von denen Deutschland nur 35 bestellt hat", sagte der Branchenkenner. "Bei einem so kleinen Anteil wäre es auch denkbar gewesen, dass eine Firma eines anderen Nato-Staates zum Zuge kommt." Rheinmetall sei zugute gekommen, dass es bei anderen Rüstungsvorhaben schon seit langem Partner von US-Firmen sei.

Ist der feierliche Spatenstich in Weeze Auftakt für weitere Investitionen in neue Standorte der deutschen Rüstungsbranche? Danach sieht es nicht aus. Zum einen sind noch immer keine Aufträge für den größten Teil des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens erteilt worden, die Firmen haben also noch keine Planungssicherheit.

Außerdem könnten die meisten Aufträge etwa für Munition mit bestehenden Produktionskapazitäten gestemmt werden, sagte der Branchenexperte Röhl. 100 Milliarden Euro klinge zwar nach viel, angesichts des immensen Bedarfs der jahrzehntelang kurzgehaltenen Bundeswehr sei es aber nicht ausreichend. Deutschlands Rüstungsbranche könne sich nicht gewiss sein, ob der Staat auch auf lange Sicht mehr Geld in die Verteidigung investiert und dadurch der Betrieb von Produktionsstandorten dauerhaft profitabel sei. "Aus der Politik kommen bisher keine Signale, den regulären Haushalt wesentlich aufzustocken." Daher seien deutsche Rüstungsfirmen eher zurückhaltend bezüglich Investitionen, sagte Röhl.

Bei dem symbolischen ersten Spatenstich am Dienstag wird NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erwartet. Das bevölkerungsreichste Bundesland hatte sich im Rennen um den Standort-Zuschlag durchgesetzt, Sachsen, Niedersachsen und Brandenburg gingen leer aus./wdw/DP/zb