MÜNCHEN (dpa-AFX) - Aus der Industrie kommt Kritik am Europäischen Patentamt (EPA). Eine Initiative aus inzwischen 21 Unternehmen ist besorgt um die Qualität der Patentprüfung. "Wir haben den Eindruck, dass es beim EPA vor allem darum geht, möglichst viele Patente zu bearbeiten", sagt Beat Weibel, Patentchef bei Siemens , der die Initiative Industry Patent Quality Charter (IPQC) angestoßen hat, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Prüfer seien einem immer höheren Produktionsdruck ausgesetzt und daher nicht mehr in der Lage, gründlich genug zu prüfen.

"Während wir bei uns sehen, dass der Arbeitsaufwand für eine Patentanmeldung im Schnitt immer größer wird, muss es beim EPA immer schneller gehen", erklärt Weibel. "Das macht uns Sorgen, weil die Qualität der Prüfung darunter leidet." Exakte Zahlen zum Zeitbudget der Prüfer bekomme er zwar nicht vom EPA, sagt er. "Aber wenn man anhand der Zahl der Prüfer und der erteilten Patente hochrechnet, ergibt sich etwa eine Halbierung in den vergangenen zehn Jahren."

Auch Jörg Thomaier, Patentchef bei Bayer , das ebenfalls der IPQC angehört, teilt Weibels Sorgen. "Früher war das EPA dafür bekannt, dass die Prüfungen lange gedauert haben. In den letzten Jahren haben wir den Eindruck, dass eher auf Geschwindigkeit geachtet wird und nicht mehr so gründlich geprüft wird", sagt er. "Es geht jetzt zwar schneller, aber dafür ist die Widerrufsrate im Beschwerdeverfahren der Patente angestiegen."

Ein solcher Widerruf ist für die Patentanmelder äußerst ungünstig. "Patente sind für ein Unternehmen wie Bayer extrem wichtig", betont Thomaier. "Dabei kommt es nicht so sehr auf die Menge an, sondern darauf, dass ich sie - wenn es nötig wird - durchsetzen kann und sie nicht beim ersten Windstoß einer Überprüfung umfallen." Auch beim Schweizer Konzern Roche , der ebenfalls der IPQC beigetreten ist, heißt es: "Als Industrie sind wir auf verlässliche Patente angewiesen. Das ist die Basis für die Investitionen in unsere Forschung."

Siemens ist einer der größten Anmelder beim Europäischen Patentamt. Vergangenes Jahr war der Münchner Konzern die Nummer sechs unter den Anmeldern beim EPA, unter den europäischen Unternehmen die Nummer zwei - hinter Ericsson . Auch die Schweden sind Mitglied der IPQC. "Wir fänden es gut, wenn die Prüfer mehr Zeit hätten, um ihre Aufgabe zu erfüllen, denn die Patente werden immer komplexer", sagt die dortige Vizepräsidentin Patententwicklung Gabriele Mohsler. "In einzelnen Fällen haben wir auch gesehen, dass die Recherchen nicht ausreichend gründlich gemacht wurden."

Insgesamt ist ihre Einschätzung aber nicht ganz so kritisch: "Grundsätzlich halte ich die Qualität beim EPA für gut. Wir wollen aber nicht, dass sie sinkt und in einigen Bereichen könnte sie auch höher sein", sagt Mohsler.

Auch Thomaier von Bayer meint: "Im globalen Vergleich ist die Qualität des EPA nicht schlecht. Aber sie ist ein gutes Stück von dem entfernt, was sie einmal war: der klare Goldstandard. Und da wollen wir als Industrie wieder hin." Ein zentraler Lösungsansatz in seinen Augen: mehr Personal. "Für mehr Anmeldungen braucht es auch mehr Prüfer", betont er. "Im Moment reicht die Kapazität nach unserem Eindruck jedenfalls nicht aus."

Beim EPA betont man dagegen auf Anfrage, dass die Qualität der Patentrecherchen "stets oberste Priorität" habe. Viele Länder betrachteten seine Arbeit "als globalen Maßstab für Patentqualität". Dies spiegle sich auch in Umfragen "führender Fachzeitschriften für geistiges Eigentum wider", in denen das EPA "unter Patentfachleuten stets den ersten Platz belegt". Einige der von der IPQC verwendeten Zahlen seien dagegen unzutreffend.

Zudem verweist das Patentamt darauf, in seinem Ständigen Beratenden Ausschuss eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Qualität mit 74 Mitgliedern aus 40 Ländern zu haben. Im vergangenen Oktober habe man darüber hinaus eine neue Qualitätscharta veröffentlicht, "in der unser Engagement für hohe Qualität und herausragende Leistung in jeder Phase des Patenterteilungsverfahrens dargelegt ist"./ruc/DP/zb