BERLIN (dpa-AFX) - Der Kochboxenversender Hellofresh schaut trotz eines starken Endspurts 2022 nur vorsichtig auf das laufende Jahr. Der Konzernvorstand kann sich bei der Entwicklung des operativen Gewinns sowohl einen Rückgang als auch einen deutlichen Sprung nach oben vorstellen, liegt mit seiner Prognose aber unter den Durchschnittserwartungen von Analysten. Die Vorsicht verwundert, nachdem Hellofresh im Abschlussquartal 2022 deutlich besser abgeschnitten hatte als erwartet. Beim Broker Lang & Schwarz fiel der Aktienkurs am Morgen im Vergleich zum Xetra-Schluss um mehr als vier Prozent.

Der Umsatz kletterten in den Monaten Oktober bis Dezember um fast ein Fünftel auf knapp 1,9 Milliarden Euro, wie das im MDax notierte Unternehmen am Dienstag in Berlin mitteilte. Zudem steigerte Hellofresh den um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um 22,4 Prozent auf 160 Millionen Euro und übertraf damit deutlich die durchschnittlichen Analystenschätzungen.

Allerdings bestellten im vierten Quartal weniger Kunden in den USA - dem mit Abstand wichtigsten Markt des Unternehmens. In allen anderen Ländern, die im Segment International zusammengefasst sind, stieg die Zahl aktiver Kunden leicht. Für Hellofresh gelten Kunden als aktiv, wenn sie innerhalb der vergangenen drei Monate mindestens eine Box erhalten hat - egal, ob Verbraucher diese zum Vollpreis bestellt haben oder diese im Rahmen von Tests oder Rabattaktionen zugestellt wurden.

Besser stand es um den durchschnittlichen Bestellwert auf Konzernebene, der währungsbereinigt in den letzten drei Monaten des Jahres um zwölf Prozent stieg. Der Konzernvorstand führte dies darauf zurück, dass er mehr Mahlzeiten und Zusatzprodukte wie Vorspeisen, Snacks oder Desserts absetzen konnte. Über das Jahr gesehen sei der durchschnittliche Bestellwert "signifikant" gestiegen, sagte Hellofresh-Chef Dominik Richter laut Mitteilung.

An der Strategie will der Manager im laufenden Jahr festhalten und noch stärker sogenannte "Add-Ons" vertreiben. So soll etwa der Hellofresh Market in weiteren Ländern starten, auf dem Kunden abseits der bekannten Kochboxen zum Beispiel Frühstücksartikel oder Knabbereien ordern können.

In den vergangenen Jahren hatte das Unternehmen sein Angebot rund um die Pakete mit vorportionierten Zutaten ausgeweitet. Seit der Übernahme von Factor in den USA und Youfoodz in Australien bietet Hellofresh auch verzehrfertige Mahlzeiten an, die 2023 noch stärker vertrieben werden sollen.

Für das laufende Jahr soll sich das beim Umsatz positiv bemerkbar machen, die Konzernführung hofft auf ein währungsbereinigtes Plus von zwei bis zehn Prozent. 2022 hatte der Konzern seinen Erlös um knapp 27 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro gesteigert. Bereinigt um die Umrechnungseffekte wegen des im Jahresverlauf schwachen Plus geringer. Größter Treiber beim Umsatzwachstum sollen verzehrfertige Mahlzeiten in Nordamerika sein.

Pessimistischer ist der Vorstand allerdings beim operativen Gewinn: Bereinigt um Sondereffekte dürften vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 460 bis 540 Millionen Euro vom Umsatz übrig bleiben, während sich Branchenexperten im Schnitt mehr erhofft hatten. Das Unternehmen hält damit einen weiteren Rückgang für möglich. 2022 sank das operative Ergebnis um fast zehn Prozent auf 477 Millionen Euro.

Hellofresh begründete seine Prognose damit, dass das Unternehmen im ersten Halbjahr 2022 noch stark von der Pandemie profitiert hatte - dieser Effekt dürfte sich nach der Normalisierung und dem Wegfall von Corona-Maßnahmen nicht wiederholen. Zudem dürfte das Konsumumfeld für den größten Teil des Jahres gedämpft bleiben. Der Kochboxenversender gilt als einer der stärksten Profiteure der Pandemie: Als Menschen zu Hause bleiben mussten und Restaurants keine Gäste vor Ort bewirtschaften durften, rückten Bestell- und Lieferdienste in den Fokus.

Seitdem die Restriktionen aber weggefallen sind, stellen Skeptiker ein weiteres Wachstum bei Unternehmen wie Just Eat Takeaway , Delivery Hero oder Deliveroo infrage./ngu/zb/mis