BERLIN (dpa-AFX) - Die Länder haben Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) mangelnde Unterstützung bei der Finanzierung der Justiz vorgeworfen. Anders als im Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP verankert, gebe es bisher keinen Rechtsstaatspakt 2.0, kritisierten die Justizministerinnen und -minister aller Länder am Donnerstag bei der Justizministerkonferenz (Jumiko) in Berlin. In einer gemeinsamen Erklärung forderten sie die Ampelkoalition auf, den zugesagten Pakt ohne Abstriche umzusetzen. "Die Bundesregierung muss sich an dieser Ankündigung messen lassen", betonte der Vorsitzende der Konferenz, Bayerns Ressortchef Georg Eisenreich (CSU).
Der Rechtspakt war das überstrahlende Thema der Konferenz. Die Länder warfen Buschmann vor, sich nicht genügend für die Interessen der Justiz einzusetzen. "Das war ein Stück weit ernüchternd", konstatierte Hamburgs Justizministerin Anna Gallina (Grüne). "Es gibt einen deutlichen Dissens zwischen Bund und Ländern", sagte Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU).
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine verdeutliche, dass Freiheit und Demokratie verteidigt werden müssten. Das sei nicht ohne ausreichende finanzielle Ausstattung möglich, sind sich die Länder einig. "Wir erwarten eine angemessene Beteiligung des Bundes", verlangte Eisenreich. Der Bund gebe den Ländern über Initiativen immer mehr zusätzliche Aufgaben. "Da ist es nur recht und billig, wenn sich der Bund auch beteiligt", meinte Gentges.
Konkret verlangen die Länder das Ursprungsvolumen des Pakts in Höhe von 220 Millionen Euro fortzuführen und für die Jahre 2023 bis 2027 in drei Tranchen auszuzahlen. Zudem fordern sie für die Digitalisierung jährlich eine Förderung von 350 Millionen bis zum Jahr 2025. Den Antrag hatten Bayern, Hamburg und Baden-Württemberg eingereicht. Im Beschluss heißt es: "Die Justizministerinnen und Justizminister stellen zudem fest, dass auch durch gesetzliche Initiativen keine auch nur annähernd vergleichbare Entlastung der Justizhaushalte der Länder geschaffen wurde oder in Aussicht steht."
Buschmann hatte den Ländern für die kommenden Jahre 200 Millionen Euro für Projekte zur Digitalisierung ihrer Justizbehörden in Aussicht gestellt. Weitere Mittel - etwa für zusätzliche Stellen - waren nicht Teil des Angebots. Daran änderte sich am Donnerstag nichts. Buschmann verwies auf die hohen Ausgaben des Bundes angesichts des Ukrainekrieges. "Das verändert die Finanzausstattung des Bundes dramatisch. Da müssen natürlich alle Fachministerinnen und
-minister darauf Rücksicht nehmen. Das gilt für das Justizministerium
genauso", sagte Buschmann nach der Konferenz.
Aus Sicht der Länder reichen die 200 Millionen Euro nicht aus. Im nächsten Jahr seien das 50 Millionen, so Eisenreich. In Relation zu den Ausgaben der Länder, die jährlich mehr als 15 Milliarden Euro in die Justiz investierten, seien das 0,33 Prozent. Rechne man die Kosten für den Strafvollzug dazu, investierten die Länder sogar 19 Milliarden, berichtete Eisenreich.
Der Deutsche Richterbund schloss sich der Forderung der Länder an: "Es braucht eine breit angelegte Investitionsoffensive von Bund und Ländern, um die Justiz personell nachhaltig zu stärken und technisch auf die Höhe der Zeit zu bringen", sagte die DRB-Vorsitzenden Andrea Titz und Joachim Lüblinghoff in Berlin. Die Ampelkoalition müsse ihre Versprechen halten. Neben einem Digitalpakt mit den Ländern sei eine mehrjährige Co-Finanzierung neuer Stellen durch den Bund erforderlich. "Ohne deutlich mehr Personal wird es der Justiz kaum gelingen, den digitalen Umbruch parallel zu den stetig wachsenden Kernaufgaben in der Rechtsprechung zu stemmen", erklärte Lüblinghoff.
Auch die obersten Gerichte der Länder stellen sich hinter die Forderung. Die in den kommenden Jahren zu bewältigenden, erheblichen Herausforderungen "erfordern nach wie vor eine personelle Verstärkung in allen Bereichen der ordentlichen Gerichtsbarkeit", erklärte der Präsident des Oberlandesgerichts Rostock, Kai-Uwe Theede. Als Gastgeber der diesjährigen Jahrestagung spricht Theede aktuell für alle Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts und des Bayerischen Obersten Landesgerichts.
In der vergangenen Legislaturperiode hatte die große Koalition einen sogenannten Pakt für den Rechtsstaat beschlossen. Der Bund hatte damals 220 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um zusätzliche Stellen bei den Staatsanwaltschaften und an Gerichten zu schaffen. Im 2021 geschlossenen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es: "Wir verstetigen mit den Ländern den Pakt für den Rechtsstaat und erweitern ihn um einen Digitalpakt für die Justiz."
"Es wird auch nicht günstiger, wenn man das Thema jetzt nach hinten aufschiebt", meinte Hamburgs Justizministerin Gallina. "Ich finde, dem Bund läuft die Zeit davon. Er wird sich rechtfertigen müssen, wenn es mit dem digitalem Rechtsstaat nicht klappt."
Mit ihrem Beschluss wandten sich die Justizministerinnen und
-minister auch an die Konferenz der Ministerpräsidenten. Es müsse
geklärt werden, wie ein digitaler Rechtsstaat zukunftsfähig sein könne. Geplant sei zudem ein Digitalisierungsgipfel im kommenden Frühjahr, hieß es. Dieser solle auf Augenhöhe stattfinden, mahnte Bayerns Ressortchef. "Gut wäre mehr Offenheit und Ehrlichkeit." Aus Sicht der Länder handelt es sich bei dem bisherigen Angebot Buschmanns um eine "Mogelpackung"./mvk/DP/zb