BERLIN (dpa-AFX) - Im koalitionsinternen Streit um die Priorisierung von Bauvorhaben können sich die Grünen schnellere Planungsverfahren für die Sanierung alter Brücken und Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie vorstellen. "Es gibt in Deutschland rund 4000 Brücken, die saniert werden müssen und einen riesigen Bedarf an Windkraft- und Solaranlagen, damit die Energiewende gelingt", sagte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Deshalb sei klar: "Wir müssen schneller werden bei Planung und Bau von Infrastrukturprojekten".

Gleichzeitig erteilte die Co-Vorsitzende einer generellen Beschleunigung für Verkehrsprojekte, so wie sie sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vorstellt, eine Absage. Dies sei mit ihrer Partei nicht zu machen. "Denn wer alles priorisiert, beschleunigt am Ende gar nichts." In Zeiten der Klimakrise müsse klar sein, wo die Priorität liege. Und zwar "bei Sanierung und Erhalt, beim Ausbau der Erneuerbaren und Stromnetze statt beim Neubau von Fernstraßen".

Wissing pocht darauf, alle Verkehrsprojekte zu beschleunigen - also neben Schienen auch Autobahnen und Straßen. Nach dem Plan des Ministers sollen auch Ersatzneubauten von Autobahnbrücken ohne Genehmigung und Umweltverträglichkeitsprüfung realisiert werden können. Ebenfalls ohne Umweltverträglichkeitsprüfung soll der Bau von Radwegen an Bundesfernstraßen ermöglicht werden.

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte daraufhin erklärt, dass es bereits eine ganze Reihe von Beschleunigungsmaßnahmen gebe und das Kabinett im Juni beschlossen habe, "dass dabei Projekte im Fokus stehen müssen, die dem Klimaschutz dienen - ebenso wie Investitionen in die Schiene oder den Erhalt und den Ersatzneubau insbesondere von Brücken".

Unterstützung für die Position der Liberalen kam vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). "Aus Sicht der Wirtschaft gibt es keine gute oder schlechte Infrastruktur. Gerade im Verkehr ergänzen sich Schiene und Straße zwingend. Deshalb brauchen die Unternehmen für alle Infrastruktur-Verfahren eine Planungsbeschleunigung", sagte Präsident Peter Adrian der dpa. Die Unterscheidung zwischen Projekten, die endlich schneller vorangetrieben werden dürften und solchen, die weiterhin im Genehmigungsstau versandeten, verstehe in der Wirtschaft niemand.

Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland sei marode. "Es besteht extremer Handlungsbedarf. Das gilt für Brücken, das gilt für die Schiene, das gilt für die Wasserstraßen, wo wir überall gravierende Probleme haben", sagte Adrian./abc/DP/zb