WEIMAR (dpa-AFX) - Die Grünen wehren sich gegen Kritik und wollen ihre Koalitionspartner SPD und FDP beim Klimaschutz stärker in die Pflicht nehmen. Es könne nicht sein, "dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt", sagte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck am Dienstag zum Auftakt der dreitägigen Grünen-Bundestagsfraktionsklausur in Weimar. Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte die Bekämpfung der Klimakrise eine Menschheitsaufgabe und warnte vor Populismus.

Den Grünen finden sich seit Wochen im Fokus unangenehmer Debatten, die sich wesentlich an einem vorzeitig durchgesickerten Entwurf aus Habecks Haus zum schrittweisen Austausch alter Gas- und Ölheizungen entzünden. Nach einer Übereinkunft der Koalition von SPD, Grünen und FDP aus dem Frühjahr 2022 soll ab 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dies könnte de facto auf ein Verbot neuer Öl- und Gasheizungen hinauslaufen. "Es war ein guter und ein richtiger und ein gemeinsamer Beschluss", sagte Habeck dazu.

Die FDP indes kritisiert die Pläne scharf, unterstützt zuletzt vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, der vor einer "Hauruck-Methode" und "horrenden Kosten" warnt. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte der "Bild"-Zeitung (Dienstag), das Vorhaben für den Heizungstausch sei "tatsächlich voll gegen jeden gerichtet, der Eigentum hat. Ein völlig abgehobener Plan, der auf keinen Fall Realität werden darf".

Woraufhin Habeck kontrolliert der Kragen platzte. Manchmal entstehe der Eindruck, es gehe nicht um Argumente. Man versuche, "möglichst nicht zu diskutieren, uns mit Vorurteilen zu belegen, die Gesellschaft wieder zu spalten, Klimaschutz zu einem Kulturkampf zu machen". Das sei "eine gefährliche Rutschbahn nach unten". Fraktionschefin Katharina Dröge versuchte die Sorgen zu lindern und versprach: "Gerade Menschen mit mittlerem Einkommen und unteren Einkommen werden so unterstützt, dass sie das schultern können, dass sie das am Ende auch bezahlen können."

Innerhalb der freudlosen Ampel-Koalition mit SPD und FDP sind die Grünen mit dem wohl größten Veränderungsanspruch unterwegs, was ihrer Popularität nicht immer zuträglich ist. In Umfragen kommen sie nicht aus der Zone zwischen 16 bis 19 Prozent, dicht gefolgt und in einzelnen Befragungen sogar überholt von der AfD. Die Partei selbst sieht es so: Die Klimakrise sei eine Realität, mehr Anstrengungen und Umstellungen auch im persönlichen Lebensumfeld seien unausweichlich - und sie selbst ehrlich genug, das auszusprechen.

Erst am Montag warnte der Weltklimarat, dass die Klimaschutzziele der Welt in akuter Gefahr seien, wenn die klimaschädlichen Treibhausgase nicht noch in diesem Jahrzehnt drastisch gesenkt werden. Das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900) zu begrenzen, ist nach dem Bericht praktisch unmöglich. Die 1,5 Grad könnten sogar bereits in der ersten Hälfte der 2030er Jahre überschritten werden.

Beim Klimaschutz drehe sich die Diskussion in Deutschland gerade nicht um die Frage, wer die beste Idee habe, beklagte Dröge. "Sondern es gibt eben einen Wettbewerb: Wer kann die guten Ideen kaputt reden? Das ist die politische Debatte in diesem Land gerade." Egal, welche Instrumente die Grünen vorschlügen, sie würden dafür kritisiert.

Auf Abstand gingen am Montag auch Vertreter des Konzernbetriebsrats des Energieunternehmens Leag. In letzter Minute sagten sie am Montag ihre Teilnahme an der Fraktionsklausur ab. Grund war eine am Wochenende bekannt gewordene Beschlussvorlage der Fraktion, die auch für Ostdeutschland einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg vorsieht. Die Leag baut Braunkohle in der Lausitz ab und betreibt Kraftwerke. Stattdessen konnte die Fraktion den IGBCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis für eine digitale Diskussion mit den Abgeordneten gewinnen. Die Einladung an die Leag-Vertreter sei eine "ausgestreckte Hand" gewesen, sagte Habeck. "Dass die jetzt nicht so ergriffen wurde, ist schade, ändert aber nichts daran, dass die Hand ausgestreckt bleibt."/hrz/DP/ngu