BERLIN (dpa-AFX) - CDU-Chef Friedrich Merz hat seine Kritik am geplanten Bürgergeld bekräftigt - bietet der Bundesregierung aber die Unterstützung der Union bei einer zügigen Anhebung der Regelsätze der Grundsicherung an. Der Unionsfraktionschef sagte am Sonntagabend in den ARD-"Tagesthemen", er wolle "ein bisschen die Schärfe aus dieser Diskussion" herausnehmen. Er werde am Montag dem Parteivorstand der CDU und dem Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorschlagen, "dass wir der Bundesregierung anbieten, noch in dieser Woche einen verbindlichen Beschluss des Deutschen Bundestages über die Anhebung der Regelsätze zu treffen". Die Sätze, die für das alte Hartz-IV-System gelten, müssten so schnell wie möglich angehoben werden. Das müsse spätestens zum 1. Januar geschehen.
"Und dann müssen wir uns über diesen Systemwechsel unterhalten, der mit diesem sogenannten Bürgergeld vorgenommen wird", sagte Merz weiter. Merz verwies dabei auf die vorgesehenen Schonvermögen und Karenzzeiten, mit denen die Union nicht einverstanden sei.
Das zum 1. Januar geplante Bürgergeld soll die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen. Ziel ist es, Betroffene in die Lage zu versetzen, sich stärker auf Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren zu können. Sie sollen dafür vom Jobcenter weniger unter Druck gesetzt werden. Die Regelsätze der Grundsicherung sollen dabei steigen. So sollen Alleinstehende 502 Euro im Monat erhalten und Jugendliche 420 Euro. Heute erhalten Alleinstehende 449 Euro.
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums sollen unter anderem Vermögen und Angemessenheit der Wohnung erst nach 24 Monaten Bezug des Bürgergeldes überprüft werden (Karenzzeit). Zudem ist vorgesehen, dass Vermögen bis 60 000 Euro und für jede weitere Person im Haushalt bis 30 000 Euro nicht angerechnet werden sollen (Schonvermögen).
Unionspolitiker warnen vor Leistungsmissbrauch. Sie bemängeln auch, dass es keine Anreize gibt, wieder eine Arbeit aufzunehmen. Auch Änderungen der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP an den ursprünglichen Plänen überzeugten sie nicht. Die Ministerpräsidenten von CDU und CSU könnten das Vorhaben im Bundesrat blockieren.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, sagte der "Augsburger Allgemeinen" (Montag), das Bürgergeld sei der falsche Ansatz. Der Grundsatz des Forderns und Förderns werde durch das Bürgergeld aufgegeben. Mit den Plänen der Koalition würden trotz zahlreicher offener Stellen Anreize zur Arbeitsaufnahme ausgehebelt. "Das führt dazu, dass der Leistungsbezug zementiert wird und Demotivation statt Arbeitsaufnahme gefördert wird." Dobrindt sagte: "Während überall im Land Fachkräfte gesucht werden, fördert die Ampel den Weg in den Sozialleistungsbezug und schafft außerdem neue Anreize zur Einwanderung in unser Sozialsystem."
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch hielt der Union in dem Streit "Schäbigkeit" vor. "Wir haben als Ampel unseren Gesetzentwurf zum Bürgergeld angepasst, haben auf Kritik reagiert und sind mit ausgestreckter Hand auf die Union zugegangen", sagte Audretsch den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). "Die Union reagiert darauf mit weiteren Fake News und einem Wettbewerb der Schäbigkeit." Die Union sei sich nicht zu schade, für ihre Kampagne schamlos falsche Zahlen und Grafiken aus AfD-nahen Zeitungen zu kopieren. "Alles mit nur einem Ziel: Menschen, die wenig Geld haben, gegeneinander auszuspielen." Die Union müsse sich fragen lassen, "ob sie auf Kosten von Menschen mitten aus unserer Gesellschaft ihre populistische Stimmungsmache verantworten will."
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wies erneut Kritik an dem Vorhaben zurück. In den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Montag) ging er insbesondere die CSU an. "Es ist ganz offensichtlich, dass vor allem die CSU im Netz mit falschen Zahlen argumentiert hat." Das sei für eine politische Debatte Gift. Im Übrigen sei klar, dass sich Arbeit auch nach der Einführung des Bürgergeldes lohne. "Wir haben dafür den Mindestlohn erhöht, wir haben das Kindergeld und das Wohngeld, das erhöht wird. Wir haben also einen Lohnabstand", betonte Heil. "Die Union redet sich da selbst etwas ein. Sie sollte umkehren."
Heil ging davon aus, dass die Reform am Donnerstag vom Bundestag beschlossen wird. Nach dem Bundestag ist der Bundesrat am Zug. In der Länderkammer könnten die Unionsministerpräsidenten das Bürgergeld blockieren. Die nächste Bundesratssitzung, bei der das Thema aller Voraussicht nach auf der Tagesordnung steht, ist für den 25. November angesetzt. Sollte es dort zu einer Blockade kommen, müsste der Vermittlungsausschuss über die Zukunft des Vorhabens entscheiden.
Der Vermittlungsausschuss ist ein Gremium von Bundestag und Bundesrat, das einen Konsens finden soll, wenn vom Bundestag beschlossene Gesetze in der Länderkammer keine Mehrheit finden. Eine Blockade des Bürgergelds könnte sich auch auf den ohnehin engen Zeitplan auswirken - und die Einführung zum 1. Januar gefährden./seb/DP/zb