ZAMUDIO/MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die Probleme der spanischen Windkrafttochter Siemens Gamesa
Wegen der zahlreichen Probleme waren die Siemens-Energy-Aktien 2022 mit einem Minus von rund 22 Prozent fast doppelt so schwach wie der Leitindex. Dabei hatten sie aber nach einem Rekordtief Mitte Oktober bei 10,25 Euro kräftig aufgeholt. Mit 18,53 Euro kosten die Papiere inzwischen gut 80 Prozent mehr als Mitte Oktober.
Gamesa habe in einer Überprüfung der installierten Windkraftanlagen "eine negative Entwicklung der Ausfallraten bei bestimmten Komponenten festgestellt, die zu höheren Garantie- und Wartungskosten führen als zuvor geschätzt", teilte der spanische Konzern am Donnerstagabend mit. Die finanzielle Belastung bezifferte Gamesa dabei auf 472 Millionen Euro, was zu einem Verlust des operativen Ergebnisses (Ebit) vor bestimmten Kaufpreisallokationen von rund 760 Millionen Euro im Quartal führte.
Worin die Probleme genau liegen, wollte Chef Jochen Eickholt in einer Telefonkonferenz mit Analysten nur vage spezifizieren. Der Schwerpunkt liege im Service-Geschäft und nur in kleinerem Ausmaß bei den Turbinen, sagte der Manager. Es sei ein Mix aus verschiedenen Problemen, bei unterschiedlichen Komponenten und Plattformen, die mancherlei Effekte nach sich ziehen würden. Auch die betroffenen Länder und Regionen seien nur schwer abzugrenzen. Finanzchefin Beatriz Puente erwartet, dass der Barmittelzufluss in den kommenden acht Jahre beeinflusst sein wird. Für das Geschäftsjahr 2023 erwartet sie Auswirkungen im mittleren zweistelligen Bereich.
Als Folge von Gamesas Problemen musste Siemens Energy bei der Prognose für 2022/23 zurückrudern. So soll die operative Ergebnis-Marge vor Sondereffekten nun nur noch bei 1 bis 3 Prozent liegen, nach zuvor in Aussicht gestellten 2 bis 4 Prozent. Der Nettoverlust dürfte zudem auf Vorjahresniveau liegen und nicht wie bisher angepeilt stark sinken, hieß es weiter.
Im vergangenen Geschäftsjahr (per Ende September) hatten die Windkrafttochter Siemens Gamesa sowie Belastungen im Zusammenhang mit dem Rückzug aus Russland beim Energietechnikkonzern den Verlust nach Steuern um 15,5 Prozent auf 647 Millionen Euro anschwellen lassen. So hatten hohe Kosten, Lieferkettenengpässe, Projektverschiebungen, Qualitätsmängel bei älteren Anlagen sowie hausgemachte Probleme mit der neuen Landturbine 5.X Gamesa die Bilanz verhagelt.
"Insbesondere die Neubewertung von Kosten für bestehende Serviceverträge hat im abgelaufenen Quartal zu einer Ergebnisbelastung geführt", sagte ein Siemens-Energy-Sprecher zur aktuellen Entwicklung. In den operativen Bereichen sehe man eine Verbesserung der Situation bei Gamesa. Allerdings erforderten insbesondere die Altverträge unter den nach wie vor schwierigen Bedingungen im Beschaffungsmarkt "uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Managements".
Das Tagesgeschäft von Siemens Energy lief im ersten Quartal derweil mit Blick auf Umsatz und Auftragseingang besser als von Analysten erwartet. Die Umsatzprognose blieb daher unverändert: Das vergleichbare Umsatzwachstum - also ohne Wechselkurs- und Portfolioeffekte - soll im bis Ende September laufenden Geschäftsjahr weiter 3 bis 7 Prozent erreichen.
Gamesa steht vor der Komplettübernahme durch Energy, die nach Ende des Angebots mehr als 90 Prozent halten. Eine außerordentliche Hauptversammlung des an der spanischen Börse notierten Unternehmens muss in der kommenden Woche dem Unterfangen noch zustimmen, was aber als Formsache gilt. Danach will Energy Gamesa von der Börse nehmen.
Analyst Nicholas Green vom US-Analysehaus Bernstein Research sprach von einem "großen finanziellen Schlag" für die Investitionsentscheidung von Energy. Seinem Verständnis nach sollte Gamesas Service-Geschäft das stabile Fundament für die Zukunft des Unternehmens sein, nun weist es aber auch Schwächen auf. Und auch ganz allgemein glaubt er nicht an eine solide kommerzielle Grundlage der Windindustrie.
Siemens Energy erhofft sich nach der Übernahme einen besseren Durchgriff bei dem Windkraftbauer, der in den letzten Jahren nach dem Auftauchen immer neuer Probleme mehrfach seine Ziele verfehlte. Der von Energy entsandte Gamesa-Chef Eickholt hat dem Konzern ein weitreichendes Sanierungsprogramm verpasst. Grundsätzlich hatte Siemens Energy 2022/23 denn auch als Übergangsjahr gesehen. Konzernchef Christian Bruch peilte bei der Vorstellung der Ziele im Herbst eine Verbesserung der Geschäftsentwicklung an, auch wenn unter dem Strich ein Verlust stehen dürfte. Schwarze Zahlen sieht Bruch erst im nächsten Geschäftsjahr.
Abseits von Gamesa lief es aber zuletzt. Das Unternehmen spricht von einer starken Verbesserung des zugrundeliegenden operativen Ergebnisses in den Bereichen Gas Services, Grid Technologies und Transformation of Industry.
Der Konzernauftragseingang wuchs den Angaben zufolge im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als die Hälfte auf 12,7 Milliarden Euro und der Umsatz stieg um rund 19 Prozent auf knapp 7,1 Milliarden Euro. Beide Werte übertreffen damit die mittlere Analystenschätzung deutlich. Das operative Ergebnis von minus 384 Millionen Euro blieb indes deutlich unter der Markterwartung, ebenso wie das operative Ergebnis vor Sondereffekten von minus 282 Millionen Euro./mis/lew/knd/jha/