BERLIN (dpa-AFX) - Die G7 der wirtschaftsstarken Demokratien und die Europäische Union haben gemeinsam einen Marshallplan für den Wiederaufbau der Ukraine auf den Weg gebracht. Eine von Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geleitete Expertenkonferenz gab am Dienstag das Startsignal für ein solches Programm nach dem Vorbild der US-Hilfen für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.

Scholz nannte den Wiederaufbau der Ukraine eine "Generationenaufgabe, mit der man jetzt beginnen muss". Auch von der Leyen mahnte, es dürfe keine Zeit verschwendet werden. "Wir müssen sicherstellen, dass die Ukraine jederzeit die Unterstützung bekommt, die sie braucht." Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warb für rasche internationale Investitionen in sein durch den russischen Krieg stark zerstörtes Landes.

Scholz richtete die Konferenz als derzeitiger Vorsitzender der G7 zusammen mit von der Leyen aus. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal reiste mit einer Delegation aus Kiew an, Selenskyj wurde per Video zugeschaltet. Konkrete finanzielle Zusagen wurden bei dem Expertentreffen, das bewusst nicht als Geberkonferenz angelegt war, nicht gemacht.

Selenskyj wirbt für rasche Investitionen

Parallel zur Berliner Konferenz besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ukraine und sagte ihr weitere Hilfe zu. "Meine Botschaft an die Ukrainerinnen und Ukrainer ist: Wir stehen nicht nur an Eurer Seite. Sondern wir werden die Ukraine auch weiterhin unterstützen - wirtschaftlich, politisch und auch militärisch."

Scholz betonte in Berlin, es gehe um die Gestaltung der Zukunft der Ukraine "nicht nur für die kommenden Monate, sondern für die kommenden Jahre". Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, müssten private und staatliche Investoren der ganzen Welt zusammengebracht werden. Mit Blick auf einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine sagte Scholz, nicht nur die Ukraine werde dadurch stärker werden, sondern Europa insgesamt.

Von der Leyen: Investition in Ukraine ist Investition in Demokratie

Von der Leyen sagte, kein Land und kein Bündnis könne den Wiederaufbau alleine stemmen. Man brauche starke Partner wie die USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Australien und andere Länder sowie Institutionen wie die Weltbank. Jeder Euro, jeder Dollar, jedes Pfund, jeder Yen sei eine Investition in die Ukraine, aber auch in die demokratischen Werte weltweit.

Es seien Milliardensummen notwendig für den Wiederaufbau. Für viele Ukrainerinnen und Ukrainer gehe es darum, im Winter ein warmes Zuhause zu haben. Mit Blick auf den Wiederaufbau von Infrastruktur sagte von der Leyen, dies müsse eingebettet werden in den Weg der Ukraine in die EU.

Selenskyj: Wiederaufbau nicht erst nach Ende des Krieges

Selenskyj erläuterte, besonders dringend seien Investitionen in Krankenhäuser, Schulen, Verkehrswege und andere lebenswichtige Infrastruktur. Durch Raketenangriffe sei mehr als ein Drittel der ukrainischen Energie-Infrastruktur zerstört worden. Dieser Teil des Wiederaufbaus könne nicht auf die Zeit nach dem Krieg verschoben werden, dafür brauche die Ukraine jetzt Geld. Der von der G7 führender Industriestaaten erwogene Aufbaufonds müsse bereits im kommenden Monat seine Arbeit beginnen.

Der Präsident nannte einen Finanzbedarf von 38 Milliarden Dollar, um das Staatsdefizit im kommenden Jahr auszugleichen. Das Geld werde benötigt, um Lehrer und Ärzte zu bezahlen sowie Renten auszuzahlen. Die G7 haben bereits weitere Finanzhilfen für 2023 zugesagt. In diesem Jahr flossen ihren Angaben zufolge zusätzlich zur militärischen und humanitären Unterstützung bereits Budgethilfen in Höhe von 20,7 Milliarden US-Dollar. Insgesamt sind 33,3 Milliarden Dollar zugesagt. Mit Abstand größter Geldgeber sind die USA, Deutschland ist laut Finanzministerium mit einem Anteil von 1,4 Milliarden Euro größter Geber innerhalb der EU.

Ukraine bittet um weitere Waffen

Neben dem Wiederaufbau ging es auch um die militärische Unterstützung der Ukraine. Scholz versprach erneut, die Ukraine weiterhin auch militärisch zu unterstützen. "In ihrem Kampf für Freiheit, Unabhängigkeit und Souveränität ist die Ukraine nicht alleine."

Der ukrainische Regierungschef Schmyhal bedankte sich für die militärische Unterstützung Deutschlands, vor allem für das Flugabwehrsystem Iris-T, das eine ganze Großstadt schützen kann. Er betonte, dass die ukrainischen Streitkräfte mehr Waffen und Munition bräuchten, um den Krieg zu gewinnen. "Wir brauchen Panzer von unseren Partnern, von allen unseren Partnern, wir brauchen gepanzerte Fahrzeuge, wir brauchen zusätzliche Artillerie."

Morawiecki: Oligarchen-Gelder für Wiederaufbau nutzen

Polens Regierungschef Morawiecki sagte, es gebe einen großen Geldtopf, der für den Wiederaufbau verwendet werden könne - nämlich eingefrorene Werte russischer Oligarchen. Man müsse sich bewusst sein, dass für den Wiederaufbau pro Monat drei bis fünf Milliarden zusammengebracht werden müssten. Morawiecki sagte weiter, der Ukraine-Krieg sei auch ein Weckruf gewesen. Er verwies auf Abhängigkeiten von russischem Gas./bk/DP/nas