WASHINGTON (dpa-AFX) - Elf Stunden lang saß Zila Santiago mit seinen vier kleinen Kindern an Heiligabend im Auto fest, während draußen ein Schneesturm tobte. Verzweifelt wählte der 30-Jährige den Notruf, wie die "New York Times" berichtete, doch niemand kam zu Hilfe. Die Rettungskräfte in der Stadt Buffalo im US-Bundesstaat New York steckten selbst fest. Meterhoher Schnee, eisige Temperaturen und orkanartiger Wind sorgten für lebensbedrohliche Verhältnisse auf den Straßen - der Bezirk hatte für Bürgerinnen und Bürger ein Fahrverbot verhängt. Zila Santiago hatte Glück: Gegen 5.00 Uhr morgens gelang mit Hilfe eines Schneepflugs die Rettung der Familie.

Dramatische Szenen wie diese waren in der Region rund um die Großen Seen im Nordosten der USA und an der Grenze zu Kanada am Weihnachtswochenende keine Seltenheit. Ein heftiger Wintersturm zog über die USA, sorgte in weiten Teilen des Landes für Chaos und forderte Dutzende Todesopfer. Die Temperaturen lagen in vielen Regionen im zweistelligen Minusbereich.

Vielen Menschen brachte das arktische Sturmtief "Elliott" ein Weihnachtsfest unter Extrembedingungen. In der stark betroffenen Region Buffalo am Ufer des Eriesees stieg die Zahl der Todesopfer nach Behördenangaben vom Sonntag auf zwölf. Das älteste Opfer war demnach 93 Jahre alt, das jüngste 26. Die Toten seien in ihren Häusern und auf Straßen entdeckt worden, teilte der Verantwortliche des Bezirks Erie County, Mark Poloncarz, mit.

Landesweit kamen bei dem Wintersturm nach Angaben von US-Medien deutlich mehr als 30 Menschen ums Leben. Der Sender NBC berichtete unter Berufung auf eine eigene Zählung von 41 Todesopfern, der Sender ABC von mindestens 39. Rettungskräfte und Behördenvertreter rechneten mit einer weiter steigenden Zahl an Opfern.

Am Samstag hätten Rettungskräfte per Telefon bei der Geburt eines Kindes geholfen, schrieb die "New York Times". In hunderten Fällen sei die Rettung von Menschen in Not gelungen.

Auch im mittleren Westen sorgten heftige Schneefälle und orkanartige Winde für sogenannte Whiteout-Bedingungen auf den Straßen, bei denen Autofahrer durch die extrem eingeschränkte Sicht die Orientierung verlieren können. Auf Fernsehbildern waren Straßen zu sehen, die mit einer dicken Eisschicht überzogen waren. Autos und Lkws schlitterten über die Fahrbahn, krachten ineinander oder kamen von der Fahrbahn ab.

Hunderttausende Haushalte waren am Wochenende von Stromausfällen betroffen. Am Samstag waren es zeitweise gar mehr als 1,6 Millionen, wie die Webseite "PowerOutage" zeigte. Die arktische Kaltfront brachte zudem die Weihnachtspläne vieler Reisender durcheinander: Von Freitag bis Sonntag wurden nach Angaben der Flugdaten-Webseite "FlightAware" mehr als 10 000 Flüge gestrichen. An vielen Flughäfen herrschte Chaos, manche wurden vorübergehend geschlossen.

Die Auswirkungen der Kältewelle waren bis in den Süden der USA zu spüren. Ernst wurde die Lage angesichts der gefallenen Temperaturen für Migrantinnen und Migranten an der Grenze zu Mexiko, von denen derzeit viele auf den Straßen der Grenzstädte kampieren. Viele von ihnen warten auf die Aufhebung einer umstrittenen Abschieberegelung, die unter Verweis auf die Corona-Pandemie eine schnelle Zurückweisung erlaubt. Eigentlich sollte sie bereits in der vergangenen Woche auslaufen. Die US-Regierung hatte das Oberste Gericht in den USA um Aufschub bis nach Weihnachten gebeten.

Zuletzt beruhigte sich der Sturm in den meisten Bundesstaaten etwas. Nach Angaben des US-Wetterdienstes verlagerte sich das Zentrum der Kaltfront Richtung Norden, in den Osten Kanadas./trö/DP/he